14
Du bist
mein kleines Babyfläschchen.
Wenn ich dich fallen lasse, ist’s kein Malheur,
Denn du vergießt keinen Tropfen,
und ich hebe dich auf,
Und ich trinke dich leer.
Wenn ich dich fallen lasse, ist’s kein Malheur,
Denn du vergießt keinen Tropfen,
und ich hebe dich auf,
Und ich trinke dich leer.
Heather Wells
»Das begreife ich nicht«, sage ich, als wir den
Hutchinson River Parkway entlangfahren.
»Was?«, fragt Cooper.
Andere Autos überholen uns in beängstigendem
Tempo, einige Fahrer werfen uns böse Blicke zu, ein paar machen
sogar dreckige Gesten. Aber das scheint Cooper nicht zu stören. Er
geht sehr vorsichtig mit seinem’74 2002 BMW um. Den behandelt er so
sanft wie ein Baby, und das ist okay, denn ein heftiger Ruck bei
einer Geschwindigkeit von über fünfundfünfzig Meilen pro Stunde
könnte den alten Viertürer auseinanderreißen.
Zum Glück habe ich Cooper nach einer kurzen
Reinigungsorgie für diese Fahrt begeistert. Ausnahmsweise stehen
meine Füße nicht knöcheltief im Fast-Food-Abfall,
sondern tatsächlich auf den Matten, die zu diesem Auto gehören.
»Als Sarah und Gavin gestern gefragt haben, ob du sie nach Rock
Ridge fahren würdest, hast du dich geweigert. Und als ich heute
sagte, ich müsste da hin, konntest du deinen Autoschlüssel gar
nicht schnell genug hervorholen.« Neugierig betrachte ich sein
Profil. »Warum?«
»Glaubst du, irgendein Weg wäre mir zu weit, um
diesen Kerl im Knast zu sehen?« Cooper wechselt die Gänge.
Stöhnend rolle ich mit den Augen. Ja, natürlich
ist er nur zu dieser Fahrt bereit, weil er Gavin auslachen will,
der in seiner runtergelassenen Hose verhaftet wurde, und
keineswegs, weil er meine schwesterlichen Gefühle für den Jungen
versteht und ihm aus der Klemme helfen möchte.
Männer.
Andererseits – Männer. Ich darf nicht ständig die
schwarzen sexy Härchen auf der Hand anstarren, die neben mir den
Steuerknüppel umfasst. Was stimmt denn nicht mit mir? Ich habe
schon einen Freund – der mich heiraten will. Da bin ich mir
sicher.
Allerdings – Tads Handrücken sind nicht behaart.
Nicht, dass keine Haare drauf wachsen würden, aber die sind blond,
und man sieht sie kaum.
Was jedoch keineswegs bedeutet, behaarte oder
unbehaarte Hände hätten irgendwas mit erotischer Anziehungskraft zu
tun. Nur an Coopers Händen wirken die Härchen besonders sexy, auf
raubtierhafte, aufregend maskuline Weise. Es fällt mir schwer, mir
nicht vorzustellen, diese Hände würden über meinen nackten Körper
wandern. Über meinen ganzen nackten Körper.
»Warum starrst du meine Finger so an?«, fragt
er.
O Gott... »D-das tu ich nicht«, stottere ich und
reiße meinen Blick von seiner Hand los. »Eh – es ist mir
rätselhaft, wie Sebastian meinen Boss erschießen konnte. Nach dem
Mord sah ich ihn, und da machte er Witze. Er kann es unmöglich
getan haben. So ein guter Schauspieler ist er nicht.«
»Hm. Also baust du auf die gängige
Verteidigungsstrategie – nur weil er die Mordwaffe hatte, muss er
es nicht getan haben.« Cooper zuckt die Achseln. »Ein alter Hut,
aber gut. Klar, jemand könnte Veatch getötet und die Pistole danach
in Sebastians Tasche gesteckt haben.«
»Genau!«, juble ich, während ein Volvo-Kombi mit
einer engelsgleichen Mom am Steuer an uns vorbeisaust,
wahrscheinlich fährt sie ihren kleinen Sohn gerade zum
Footballtraining, sie zeigt uns den Stinkefinger. Sekunden später
biegen wir in die I-684. »So muss es gewesen sein. Zwischen dem
Mord und Sebastians Verhaftung kam jemand mit ihm in Kontakt...«
Verzagt füge ich hinzu: »Etwa tausend Leute. Sicher war er in den
Vorlesungspausen überall auf dem Campus, ich sah ihn zum Beispiel
auf dem Rasenschachplatz im Park, zusammen mit Sarah und all den
Reportern. Jeder von diesen Obdachlosen könnte sich an ihn
rangeschlichen und was in seine Tasche bugsiert haben.«
»Dieses Argument werden seine Anwälte zweifellos
vorbringen«, meint Cooper gelassen.
»Müssten die Bullen nicht Pulverspuren an seinen
Händen nachweisen und Zeugen suchen?«
»Immerhin hatte er ein Motiv. Und die Tatwaffe.
Und kein Alibi. Vermutlich findet der Staatsanwalt, das wäre ein
glasklarer Fall.«
»Ja, bis auf eins«, murre ich, »Sebastian war’s
nicht.«
Mein Handy klingelt, Patty ist dran. Natürlich
weiß ich, dass sie nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist.
Aber es überrascht mich, wie deutlich sie das zeigt. »Was?«,
schreit sie. »Du bist auf dem Weg nach Westchester? Wolltest du
nicht sofort zurückkommen?«
»Da muss ich hinfahren«, antworte ich.
Normalerweise ist sie die fröhlichste Frau von der Welt. Aber
nicht, wenn sie im ersten Trimester ist. Auch nicht im zweiten.
Wenn ich mich an die Zeit vor Indianas Geburt erinnere – im dritten
auch nicht. Wahrscheinlich ist sie während einer ganzen
Schwangerschaft schlecht gelaunt. »Vorhin wollte ich das nicht
sagen.«
»Warum nicht? Weil du wusstest, ich würde dich für
verrückt halten? Weil es total bescheuert ist, nach Rock Ridge zu
fahren, um einen Jungen aus dem Knast zu holen, der gar nicht dein
Sohn ist? Genauso, wie es reiner Wahnsinn ist, einen Kerl zu
heiraten, mit dem du erst seit drei Monaten zusammen bist?«
Weil sie so laut kreischt, halte ich das Handy von
meinem Ohr weg. Dabei kann ich es mir nicht verkneifen, Cooper
anzuschauen und herauszufinden, ob er zuhört. Aber er spielt am
Kassettenrekorder herum – o ja, der’74 2002 BMW hat nur einen
Kassettenrekorder, keinen CD-Player. Dann erklingen die süßen Töne
von Ella. Also droht mir keine Gefahr.
»Unsinn, ich fahre nicht nach Rock Ridge, um ihn
rauszuholen«, brumme ich ins Handy. »Ich will nur mit ihm reden.
Außerdem«, füge ich noch leiser hinzu und drehe den Kopf zum
Fenster. »Du hast die Brautmodenmagazine mitgebracht. Und er hat
mich noch nicht einmal gefragt. Alles, was er sagte...«
»Was? Ich höre dich nicht. Heather, ein Mann ist
tot. Nur ein paar Schritte von deinem Schreibtisch entfernt, wurde
er in den Kopf geschossen. Im selben Gebäude, wo du vor ein paar
Monaten fast gestorben wärst. Was muss denn sonst noch passieren,
damit du dir endlich einen neuen Job suchst? Einen Job, wo nicht
dauernd jemand umgebracht wird?«
»Komisch, dass du es erwähnst...« Aus den
Augenwinkeln spähe ich wieder zu Cooper hinüber. Jetzt schaut er
auf die Straße, weil ein kolossaler Sattelschlepper an uns
vorbeibraust. Ärgerlich hupt der Fahrer, weil wir so langsam
dahinkriechen. Aber das macht Cooper nichts aus. Grinsend winkt er
dem Mann zu.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragt Patty.
»Sitzt du in einem Boot?«
»Nein.«
»Weil das wie ein Nebelhorn klingt.«
»Nur ein Laster. Ich bin auf dem Highway. Patty,
können wir später reden? Es ist gerade ungünstig...«
»Das alles sage ich nur, weil ich dich wie eine
Schwester liebe. Das weißt du, Heather.« Wie eine Schwester
ignoriert sie auch meinen Einwand. »Aber das muss sich ändern. So
kannst du nicht weitermachen – mit dem einen Kerl schlafen, obwohl
du einen anderen liebst...«
»Was ist das, Patty?« Plötzlich gebe ich ein paar
zischende Laute von mir. »Irgendwas im Netz...«
»Heather, ich weiß, dass du das machst. Es klingt
nicht nach Störgeräuschen. Wenn du wieder in der Stadt bist, setzen
wir uns in aller Ruhe zusammen und reden.«
»Uh-oh... Jetzt kann ich dich gar nicht mehr
hören. Anscheinend fahre ich durch ein Funkloch. Ich mache Schluss.
Bye.«
Sobald ich die Aus-Taste gedrückt habe, will
Cooper wissen: »Also hat Tad gefragt, ob du ihn heiraten
willst?«
»O Gott!«, ächze ich frustriert. »Nein!
Okay?«
»Wieso hat Patty dann Brautmodenmagazine
mitgebracht?«
»Weil jeder die Flöhe husten hört. Gestern sagte
Tad, er müsste mich was fragen, aber erst, wenn das Timing richtig
ist.« Habe ich das tatsächlich Cooper anvertraut? Dem letzten
Menschen, dem ich irgendwas über meinen Freund erzählen will? Wenn
ich wieder in der Stadt bin, bringe ich Patty um. »Aber das hat
sicher nichts zu bedeuten. Ich hätte es gar nicht erwähnen sollen.
Schon gar nicht in Toms Gegenwart, der die größte Klappe im ganzen
Universum hat und...«
»Du bist erst drei Monate mit Tad zusammen«, sagt
Cooper zum Lenkrad.
»Ja, aber – weißt du...«
»Nein.« Jetzt schaut er mich an. Sollte ich seine
Miene beschreiben, würde ich sagen – irgendwas zwischen ungläubigem
Staunen und Sarkasmus. »Gar nichts weiß ich. Was ist eigentlich mit
dir los? Wen spielst du jetzt? Britney Spears? Mein Bruder ist
glücklich verheiratet und kriegt bald ein Baby. Willst du deshalb
nicht im Abseits stehen? Was wird als Nächstes passieren? Willst du
dir jetzt auch ein Kind machen lassen?«
»Entschuldige bitte«, entgegne ich empört, »habe
ich etwa behauptet, ich würde ja sagen? Ich weiß noch nicht einmal,
was er mich fragen wird. Vielleicht will er nur mit mir
zusammenziehen oder so was.«
»Und das hältst du für eine gute Idee? Möchtest du
ein Apartment mit einem Mathematikdozenten teilen? Der
nicht einmal einen Fernseher besitzt? Der nichts isst außer Bohnen
und Tofu, mit Weizenhefe bestreut?«
»Ach, du weißt ja nicht, wovon du redest«, betone
ich, weil er es wirklich nicht weiß. »So ein Essen, wie du es
beschreibst, gibt es gar nicht. Und wenn doch, würdest du es sicher
gern kosten. Weil dir das guttun würde, nach all den leeren
Fast-Food-Packungen, die in deinem Büro herumliegen. Wann hast du
zum letzten Mal deinen Cholesterinspiegel messen lassen?
Wahrscheinlich ist dein Herz eine tickende Zeitbombe.«
»Oh, Verzeihung, waren das deine Nutellachips, die
ich neulich in der Küche fand? Oder die
Macadamia-Brittle-Eiscremesandwiches in der Gefriertruhe?«
Wütend starre ich ihn an. »O mein Gott, wenn du
eins gegessen hast...«
»Nur eins?«, unterbricht er mich und fixiert
wieder die Straße. »Alle.«
»Verdammt, Cooper, die habe ich eigens
für...«
»Für wen hast du sie gekauft? Für dich und Tad?
Machst du Witze? Dieses geballte Fett würde er nicht einmal
anrühren, wenn du es ihm auf seinem Lieblingsfrisbee
servierst.«
»Jetzt bist du richtig gemein. Und das sieht dir
gar nicht ähnlich. Worin liegt eigentlich dein Problem mit Tad?
Oder dein Problem mit mir und Tad? Um genau zu sein!«
»Mit Tad habe ich kein Problem.« Obwohl er den
Namen des Mannes nicht aussprechen kann, ohne höhnisch den Mund zu
verziehen. »Auch nicht mit dir und Tad. Ich glaube nur – als dein
Freund, es wäre keine gute Idee, wenn du mit ihm
zusammenziehst.«
»Wirklich nicht?« Wohin soll diese Diskussion
führen? »Warum nicht?«
»Weil es eine Katastrophe wäre.«
»Aus welchem Grund? Nur weil er sich, im Gegensatz
zu mir, vegetarisch ernährt? Es gibt so viele Paare mit
verschiedenen Ansichten. Und was den Fernseher betrifft – daran
soll’s nicht scheitern. Er weiß einfach noch nicht, was er
verpasst. Immerhin geht er ins Kino.«
Cooper gibt einen sonderbaren Laut von sich. Wenn
ich’s nicht besser wüsste, würde ich glauben, es wäre ein
verächtliches Schnauben. »Ach ja? Kommen in allen diesen Filmen
Hobbits vor?«
»Was stimmt eigentlich nicht mit dir? Du bist so
ein...«
Mein Handy klingelt wieder. Diesmal erscheint eine
Nummer im Display, die ich nicht kenne. Ich fürchte, es hängt mit
meinem Job zusammen – den ich zugegebenermaßen schwänze.
»Heather?« Die unbekannte, freundliche Stimme
eines älteren Mannes. »Hier ist Larry – Larry Mayer, der alte
Geschäftspartner Ihres Dads. Oder vielleicht sollte ich sagen – der
neue Geschäftspartner!«
»Oh«, sage ich unsicher. Gerade ist Cooper in die
Ausfahrt nach Rock Ridge gebogen. »Hi, Larry.«
»Vorhin habe ich versucht, Sie in Ihrem Büro zu
erreichen. Ihr Boss gab mir Ihre Handynummer. Kommt mein Anruf
ungelegen? Ich hatte gehofft, wir könnten reden...«
»Allzu günstig ist es gerade nicht...«
»Sehr gut«, unterbricht er mich. Offenbar hat er
mich missverstanden. »Wir haben schon ziemlich lange nicht mehr
miteinander gesprochen, was? Als ich Sie letztes Mal sah, hatten
Sie diese durchsichtige Hose voller Pailletten an, die trugen Sie
bei der Verleihung der MTV-Music-Videos.
Da hatten Sie diesen Ärger mit der Medienkontrollbehörde, weil Sie
die Hose runterrissen. Was ich nie verstand, denn das Bikinihöschen
drunter hat alles verdeckt. Nun ja, fast alles. Ah, die guten alten
Zeiten! Jedenfalls, Ihr Dad und ich sitzen gerade beisammen und
redeten von Ihnen – und wir würden gern wissen, ob Sie über unseren
Vorschlag nachgedacht haben.«
»Ja. Wissen Sie, wie ich schon sagte, im
Augenblick ist es nicht so günstig...«
»Weil die Uhr tickt, Schätzchen. Das Studio haben
wir schon gemietet, und wir müssen allmählich anfangen … Klar, ich
will Sie nicht unter Druck setzen. Aber wenn ich mich recht
entsinne, wenn Sie unter Druck standen, waren Sie immer am
besten...«
Nun fahren wir an niedrigen Steinmauern vorbei,
die saftig grüne Pferdeweiden und dichte Wälder umgeben. Dahinter
verbergen sich Multimillionen-Dollar-Villen mit komplizierten
Sicherheitssystemen, und das bedeutet, dass wir die exklusive
Gemeinde Rock Ridge erreichen. Coopers Miene ist so verschlossen
wie das Tor mit den schmiedeeisernen Spitzen am Ende einer langen,
gewundenen Zufahrt.
»Hören Sie, Larry, ich rufe Sie zurück. Im
Augenblick muss ich was erledigen, das hat mit meinem Job zu
tun.«
»Ja, das verstehe ich. Ihr Vater hat mir erzählt,
wie wichtig Sie diesen kleinen Job nehmen. Eins will ich noch sagen
– Sie würden einen fabelhaften Prozentsatz kriegen. Das ist alles.
Denken Sie drüber nach, und melden Sie sich. Bye.«
»Bye«, sage ich und drücke auf die
Aus-Taste.
»Nun?«, fragt Cooper, als wir in das pittoreske
Dorf
Rock Ridge fahren. Überall Kopfsteinpflaster und Strohdächer und
Kameras vom Sicherheitssystem auf imitierten antiken
Straßenlaternen, die sämtliche Aktivitäten aller Bürger und
Besucher überwachen. »Erzähl es mir.«
»Das willst du gar nicht wissen. Ich wünschte, ich
würde es selber nicht wissen.«
»Oh, ich glaube, ich will es wissen. Muss ich mir
eine neue Mitbewohnerin suchen? Eine neue Buchhalterin?«
Mühsam schlucke ich. »Eh – ich – ich kann’s noch
nicht sagen. Wenn’s so weit ist, bist du der Erste, der’s erfährt.
Das schwöre ich.«
Eine Minute lang schweigt er. Dann flucht er zu
meiner Verblüffung. »Verdammt!« Aber das ist keine Reaktion auf
mein Gestammel. Er ist am Polizeirevier vorbeigefahren, deshalb
muss er wenden.
Als wir vor dem Revier halten, stellen wir
verwundert fest, dass es zu den wenigen Gebäuden gehört, die nicht
mit einem Ye Olde-Zeichen markiert sind. Wir stellen den BMW auf
einem der vielen leeren Parkplätze ab. Offenbar sind wir an diesem
Frühlingstag die einzigen Besucher der Rock Ridge Police Station.
Das finden wir bestätigt, als wir eintreten und nur eine einzige
Person antreffen – einen korpulenten Mann in einer dunkelblauen
Uniform, der an einem Schreibtisch sitzt und an einem Hühnerflügel
knabbert. Weit hinter ihm, in der einzigen vergitterten und
pedantisch sauberen Gefängniszelle, kauert Gavin McGoren mit
orangerot verfärbtem Ziegenbart und nagt ebenfalls an
Hühnerflügeln.
»Da ist sie«, sagt Chief O’Malley. Zumindest lese
ich das auf dem Namensschild, das seinen Schreibtisch schmückt.
Außerdem erkenne ich seine Stimme wieder. »Heather Wells
höchstselbst!«, ruft er beglückt. »Diese
Haare würde ich überall erkennen. Haben Sie ein paar Pfund
zugelegt, Schätzchen? Nun, wer hätte das nicht?«
»HEATHER!« Gavin springt von einem Klappbett auf
und umklammert die Gitterstäbe. Überall fliegen Hühnerflügel
herum.
»Moment mal!«, ruft Chief O’Malley missbilligend.
»Müssen Sie alles mit der Spezialsauce bespritzen? Der Praktikant
hat erst gestern sauber gemacht.«
»Verdammt«, höre ich Cooper murmeln, als er Gavin
hinter Gittern sieht. Auch diesmal hängt sein Fluch nicht mit mir
zusammen. »Ich habe meine Kamera vergessen.«
Aber Gavin hat nur Augen für mich. Was nicht an
seiner unerwiderten Liebe zu mir liegt, sondern weil er mir was
erzählen muss. »Heather!«, ruft er atemlos. »Oh, ich bin ja so
froh, dass Sie hier sind! Hören Sie zu, Jamie ist sich ganz sicher
– Sebastian hat Dr. Veatch nicht erschossen. Gestern hatte sie
einen Termin bei ihm, weil er ihr helfen sollte, eine formelle
Beschwerde über ein Mitglied der New York-College-Verwaltung
einzureichen, von dem sie sexuell belästigt wurde. Deshalb hatte
sie Angst und floh nach Hause – sie glaubt, sie wäre schuld an Owen
Veatchs Ermordung. Und sie hält den Kerl, der sich an sie
herangemacht hat, für den Täter. Natürlich fürchtet sie, er würde
auch sie umbringen.«
»Und wer ist es?«
Wie rasend hämmert mein Herz gegen die Rippen.
»Simon Hague?« Oh, bitte, lieber Gott, lass es Simon Hague sein!
Was Besseres könnte mir gar nicht passieren.
»Nein«, erwidert Gavin, »ein Typ, den das College
eben erst eingestellt hat. Ein gewisser Reverend Mark.«