5
Das Frühstück, das Kalli in den Schrank warf, ehe er verschwand, war köstlich, absolut köstlich. Aber dafür musste Zottelkralle auch versprechen, im Schrank zu bleiben. Kichernd schleckte er seine Krallen ab. Pech für das Menschlein, dass Erdmonster ihre Versprechen nie halten. Nie und nimmer. Rülpsend strich er sich über den Bauch. Dann trat er gegen die Schranktür. Rums, flog sie auf, und helles Tageslicht stach in seine Monsteraugen. Mäusedreck, das hatte ihm schon beim Aufstehen zu schaffen gemacht. Aber wenn er bei den Menschen bleiben wollte, war daran nichts zu ändern. Die verschliefen nun mal die Nacht und rannten im grässlichen Sonnenlicht herum. Ekelhaft.
Mit zusammengekniffenen Augen hopste Zottelkralle aus dem Schrank. Na, ein Glück. An dem Fenster waren Vorhänge. Als er die zugezerrt hatte, ging es seinen Augen schon besser. Was nun? Nachdenklich kratzte er sich das Fell. Sollte er in das Zimmer zurückgehen, in dem das Wasser aus der Decke kam? Nein, das kannte er ja schon.
»Ich werde mich hier mal ein bisschen umsehen!«, brummte Zottelkralle. »Hier gibt’s genug zu sehen.«
Zuerst zerrte er alle Schachteln aus Kallis Regal, kippte sie aus und wühlte vierarmig in den Würfeln und Kärtchen herum. Die Kärtchen schmeckten nicht schlecht, aber die Würfel lagen schwer im Magen.
Schmatzend kletterte Zottelkralle zum vierten Regalbrett hinauf. Dort standen jede Menge Räderdinger. Die, die nach nichts rochen, beförderte er mit einem Fußtritt vom Regal. Den Rest klemmte er sich unter die Arme und hüpfte damit krachend auf Kallis Bett.
Ein paar Minuten war es lustig, die Dinger kaputtzubeißen und auf den Gummireifen herumzulutschen. Aber dann sah sich Zottelkralle nach etwas Neuem um. Er fraß ein paar von den bunten Stiften in Kallis Schreibtisch, drückte auf einem platten Kasten mit vielen Knöpfen herum, ohne dass etwas passierte, und begann sich zu langweilen.
Irgendwie waren diese Menschensachen nicht halb so aufregend, wie er gedacht hatte. Enttäuscht schlich er zur Tür und legte ein Ohr daran. Aber die schaurig schöne Klimpermusik, der er nachts so oft von draußen gelauscht hatte, war nicht zu hören.
Na gut. Dann blieb nur noch eins.
Mit einem Satz sprang Zottelkralle zurück in Kallis Bett und zog sich die Decke über die Nase. Ahh! Das Erdmonster stöhnte vor Glück. Hier ließ es sich aushalten. Ja! Zottelkralle gähnte – und verschluckte vor Schreck fast seine Zunge.
Denn da kamen Schritte die Treppe herauf. Schwere Schritte. Von einem großen Menschen. Mindestens dreimal so groß wie er. Ach was! Fünfmal. Zehnmal!
Beunruhigt sah Zottelkralle sich um. Sollte er zurück in den Schrank? Nein, zu spät. Die Schritte kamen näher. Immer näher. Zottelkralles Gedanken rasten in seinem Kopf herum wie wild gewordene Bienen.
Die Tür ging auf. Zottelkralle verschwand unter der Decke. Er lauschte. Aber viel konnten selbst seine feinen Ohren unter der dicken Decke nicht hören.
»O nein!«, hörte er dann jemanden rufen. »Wie sieht es denn hier aus? Das gibt’s doch nicht! Kalli, komm bitte sofort nach oben! Sofort!«
Kalli! War der etwa schon zurück?
Jemand zog die Vorhänge auf, stieß gegen das Bett und zog Zottelkralle die Decke vom Gesicht. Blitzschnell kniff er die Augen zu. Totstellen, dachte er. Totstellen ist immer gut.
»Igitt!«, rief Kallis Mutter. »Wo hast du denn das scheußliche Stofftier her? Hat dein Vater das etwa mitgebracht?«
»Was – was für ’n Stofftier?«, hörte Zottelkralle Kalli stottern.
»Na, das hier. Das rote Ding mit den vier Armen.«
»Ach, das. Ja, das hat Papa mitgebracht. Aus Madagaskar oder so.«
»Mein Gott! Warum kann dein Vater nicht mal was Hübsches mitbringen? Aber nein. Immer sind es solche Geschmacklosigkeiten!«
Ärgerlich zupfte Kallis Mutter an Zottelkralles Fell. »Bah, wie scheußlich sich das anfühlt. Kalli, schmeiß das Ding weg, ja?«
Zottelkralle wurde wütend. Er wurde so wütend, dass er fast aufgesprungen wäre und Kallis Mutter eine Nacktschnecke genannt hätte.
»Och, ich mag es eigentlich ganz gerne«, sagte Kalli.
Seine Mutter seufzte. »Na gut. Wie du willst. Ich muss jetzt üben. Essen steht auf dem Herd. Ach ja, und räum dieses unglaubliche Chaos auf.«
Rums, fiel die Tür ins Schloss und Kalli war mit seinem Monster allein.