Das Arbeitszeugnis – die Eintrittskarte für Ihre Karriere

Gute Zeugnisse sind die halbe Miete für Ihr Bewerbungsgespräch. Dabei kommt es auf die richtigen Formulierungen, aber auch den äußeren Eindruck an.

In diesem Kapitel erfahren Sie,

  • warum Arbeitszeugnisse wichtig sind (S. 6),

  • mit welchen Codes die Zeugnissprache arbeitet (S. 9) und

  • auf welche formalen Gesichtspunkte Sie achten müssen (S. 13).

Weshalb ist Ihr Arbeitszeugnis so wichtig?

Der halbe Weg zum Bewerbungsgespräch

In einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit liegen manchmal zwischen 100 und 200 Bewerbungen auf eine Stelle im Auswahlverfahren vor. Wenn Sie heute die Stelle wechseln wollen, brauchen Sie ein gutes Arbeitszeugnis. Es ist für Sie

  • ein zentraler Bestandteil Ihrer Bewerbungsunterlagen,

  • der Nachweis über die Art und Dauer Ihrer Tätigkeit,

  • die Beurteilung Ihrer Tätigkeit und Ihrer Persönlichkeit und somit

  • eine wichtige Unterlage für Ihr persönliches Weiterkommen.

Die Personalchefs müssen sich, besonders wenn sehr viele Bewerbungen vorliegen, schnell ein Bild von den Bewerbern machen. Das Arbeitszeugnis ist für Ihren neuen Arbeitgeber eine wichtige Grundlage, mit der er sich eine Meinung über Sie bilden kann. Der potenzielle Arbeitgeber kennt Sie in der Regel nicht persönlich und muss versuchen, sich anhand Ihrer Bewerbungsunterlagen darüber klar zu werden, ob Sie der geeignete neue Mitarbeiter sind. In Ihren Arbeitszeugnissen findet er Angaben darüber, was Sie auf Ihrer letzten und in früheren Arbeitsstellen geleistet haben, welche Tätigkeiten Sie verrichtet haben und- im qualifizierten Arbeitszeugnis – wie Ihr früherer Arbeitgeber Ihre Leistungen und Ihr Verhalten beurteilt.

Wie Sie sich vorstellen können, kommt also dem Arbeitszeugnis – neben Anschreiben und Lebenslauf – ein hoher Stellenwert als Informationsquelle für die Auswahl des geeigneten Bewerbers zu. Häufig können hier schon ganz bestimmte Formulierungen an entscheidenden Stellen des Zeugnisses die Entscheidung beeinflussen. Sind in einem Arbeitszeugnis etwa bestimmte Warnhinweise enthalten, wird dies ein geschulter Personalverantwortlicher schnell erkennen und entsprechend beurteilen – und der Bewerber fliegt schon bei der Vorauswahl aus dem Rennen.

Hoffen Sie nicht darauf, dass Negativpunkte in Ihrem Zeugnis keinem auffallen. Prüfen Sie nach Erhalt Ihres Arbeitszeugnisses dieses umgehend und gehen Sie rechtzeitig gegen unrichtige Bewertungen vor. Schon eine kritische Andeutung in Ihrem Arbeitszeugnis kann Ihre Bewerbungschancen drastisch senken. Auch die jährlich steigenden Zeugnisklagen vor den Arbeitsgerichten bestätigen die zunehmende Bedeutung des Arbeitszeugnisses.

Je höherrangig die Stelle, desto wichtiger das Arbeitszeugnis

Je länger Sie als Arbeitnehmer im Berufsleben stehen, desto mehr treten Ihre Schul- und Ausbildungszeugnisse in den Hintergrund und umso wichtiger werden Ihre Arbeitszeugnisse. Hervorragende Abschlussnoten können also ein ungünsti-ges Zeugnis von Ihrem letzten Arbeitgeber nicht unbedingt ausgleichen.

Die Bedeutung, die einem Arbeitszeugnis zukommt, ist außerdem umso größer, je höherrangig die zu besetzende Stelle ist.

Das letzte Zeugnis ist sicher das wichtigste für Ihre Bewerbung; dennoch verlieren frühere Arbeitszeugnisse dadurch keineswegs ihre Bedeutung. Wenn Ihnen aufgrund Ihrer längeren Berufsausübung bereits mehrere Zeugnisse vorliegen, dann können – falls ein Ausrutscher beim Berufseinstieg vorliegt – später erteilte gute Arbeitszeugnisse eine negative Beurteilung zwar tendenziell relativieren. Ganz aus der Welt ist das negative Zeugnis jedoch auf gar keinen Fall.

Welche Arten von Arbeitszeugnissen gibt es?

Wie oben schon angedeutet, gibt es zwei Zeugnisarten: das einfache und das qualifizierte Arbeitszeugnis. Auch das Zwischenzeugnis und das Ausbildungszeugnis fallen unter den Begriff des Arbeitszeugnisses.

  • Beim einfachen Zeugnis werden nur die Art und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bestätigt.

  • Das qualifizierte Zeugnis enthält zusätzlich zu den Angaben über die Art und Dauer eine Beurteilung der Arbeitsleistung und des Verhaltens während des Beschäftigungsverhältnisses. Wie Sie sich vorstellen können, ist es diese Beurteilung, die einen neuen Arbeitgeber besonders inte-ressiert. Da er Sie nicht kennt, versucht er sich auch durch die Analyse Ihres qualifizierten Zeugnisses ein Bild von Ihren Leistungen und Ihrem Arbeitsverhalten zu verschaffen.

  • Wenn Sie nur ein einfaches Zeugnis vorlegen, kommt das normalerweise nicht gut an. Der neue Arbeitgeber vermutet dann in der Regel, Ihr qualifiziertes Zeugnis sei so schlecht, dass Sie allen Grund haben, es besser nicht vorzulegen. Entsprechend seiner herausragenden Bedeutung steht das qualifizierte Zeugnis im Mittelpunkt dieses TaschenGuides.

  • Das Zwischenzeugnis entspricht vom Inhalt her dem Endzeugnis mit dem Unterschied, dass das Beschäftigungsverhältnis noch fortbesteht.

Vom Arbeitszeugnis zu unterscheiden ist die für das Arbeitsamt ausgestellte Arbeitsbescheinigung. Diese Arbeitsbescheinigung ist kein Arbeitszeugnis.

Die Zeugnissprache will gelernt sein

Wenn Sie Ihr (qualifiziertes) Arbeitszeugnis unbefangen lesen, werden Sie auf den ersten Blick fast immer glauben, dass alles doch recht positiv klingt. Doch Vorsicht! Oft sind hinter vielen Formulierungen, die so positiv scheinen, außerordentlich negative Aussagen versteckt. Denn die Zeugnissprache verfügt über einen ganz eigenen Code. Dies bedeutet, dass viele Formulierungen nicht wörtlich zu verstehen sind, sondern eine ganz spezielle Bedeutung haben. Die Grundzüge dieser Zeugnissprache sollten Sie kennen, damit Sie Ihr Zeug-nis richtig lesen und beurteilen und Ihren Arbeitgeber auf nachteilige oder falsche Formulierungen hinweisen können.

Beispiel

Ein Arbeitgeber stellt seinem Mitarbeiter ein seiner Ansicht nach hervorragendes Zeugnis aus. Der Mitarbeiter jedoch ist überhaupt nicht zufrieden – und er hat allen Grund sich aufzuregen: Denn der Arbeitgeber hat von der Erstellung eines Arbeitszeugnisses keine Ahnung, er hat einfach munter drauflos geschrieben. Ohne es zu wissen und zu wollen, hat er ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt, da er wichtige Aussagen weggelassen und Formulierungen verwendet hat, die ein Kenner der Materie negativ deutet.

Das „wohlwollende“ Zeugnis und die Zeugniswahrheit

Bei der Formulierung eines Arbeitszeugnisses hat der ausstellende Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum. Dieser Spielraum ist bei der Beschreibung der Tätigkeit weniger groß als bei der Beurteilung der Leistungen und des Verhaltens des Arbeitnehmers. Nach der Rechtsprechung ist der Arbeitgeber bei der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses verpflichtet, ein

  1. wahres und

  2. gleichzeitig wohlwollendes Zeugnis

auszustellen, welches die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht unnötig erschwert.

Das ausgestellte Zeugnis muss also zunächst einmal sachlich richtig sein. Der Arbeitgeber muss Ihre Leistungen objektiv beurteilen und darf keine überzogenen Erwartungen als Maßstab anlegen. Einmalige negative Vorkommnisse darf er nicht überbewerten.

Das Zeugnis soll jedoch auch wohlwollend sein. Das kann natürlich zu einem Konflikt mit dem Anspruch der Wahrheit führen. Aber letztendlich hat das Gebot der Wahrheit hier den Vorrang. Wird ein nachfolgender Arbeitgeber dadurch geschädigt, dass der Arbeitgeber ein unrichtiges Zeugnis ausgestellt hat, kann dies dazu führen, dass der bisherige Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber den entstandenen Schaden ersetzen muss.

Beispiel

Kritisch wäre etwa, wenn ein Buchhalter in einem großen Umfang Unterschlagungen begangen hat, im Zeugnis aber als ehrlicher und zuverlässiger Mitarbeiter beurteilt wird. Bekommt dieser Buchhalter aufgrund dieses tadellosen Zeugnisses wieder eine Stelle als Buchhalter und unterschlägt er auch hier wieder Gelder, so kann der nachfolgende Arbeitgeber vom Zeugnisersteller unter Umständen den Ersatz des entstandenen Schadens verlangen.

Es kommt auf die Formulierung an

Dass das Zeugnis wahr und wohlwollend sein soll, hat nun dazu geführt, dass Arbeitszeugnisse normalerweise nur noch positiv formuliert sind und Negatives unerwähnt bleibt. Damit alles positiv klingt, hat sich auch eine Art Geheimsprache entwickelt, die kundige Personalverantwortliche aber durchaus zu deuten wissen. Mit Hilfe verschiedener Formulierungstechniken, wie z. B. der Leerstellen-, der Reihenfolge- oder der Ausweichtechnik, werden negative Formulierungen vermieden, aber trotzdem eine negative Beurteilung erteilt.

So wird mit der Reihenfolgentechnik eine Abwertung dadurch vorgenommen, dass unwichtige Aussagen vor wichtige Aussagen gesetzt werden. Wenn zum Beispiel ein Arbeitgeber in der Verhaltensbeurteilung schreibt: „Sein Verhalten zu Arbeitskollegen, Vorgesetzten und Mitarbeitern war vorbildlich“, dann teilt er mit, dass es Probleme mit dem Vorgesetzten gab. Hätte er den Vorgesetzten zuerst genannt, dann wäre alles in Ordnung gewesen. Dass die richtige Deutung eines Arbeitszeugnisses dadurch manchmal etwas schwierig gerät, können Sie sich sicher vorstellen. Weiter unten werden Sie mehr zu diesen Techniken erfahren.

Schon der äußere Eindruck zählt

Wenn Sie Ihr Arbeitszeugnis prüfen, müssen Sie auf eine ganze Menge inhaltlicher Punkte achten: nicht nur darauf, dass es

  • wahr und

  • wohlwollend ist,

sondern auch, dass

  • Ihr Arbeitszeugnis vollständig ist, also zu allen wichtigen Beurteilungspunkten auch Aussagen gemacht werden,

  • Ihr Arbeitszeugnis keine Geheimzeichen enthält

  • und Ihr Arbeitszeugnis richtig aufgebaut ist.

Diese inhaltliche Prüfung ist natürlich sehr wichtig. Doch beginnen Sie bei der Prüfung am besten zunächst mit der Frage nach dem Gesamteindruck. Beurteilen Sie Ihr Arbeitszeugnis also nicht nur aufgrund einzelner Aussagen oder der Beurteilung Ihrer Leistungen und Ihres persönlichen Verhaltens. Sehen Sie es in seiner Gesamtheit.

Achten Sie auf den Gesamteindruck

Wenn Sie Ihr Zeugnis vor sich liegen haben und es anschauen, wie wirkt es auf Sie? Welchen ersten Eindruck macht es?

Ein mit Schreibfehlern übersätes oder optisch sehr schlecht gestaltetes Zeugnis legt den Schluss nahe, dass Sie von Ihrem Arbeitgeber so gering geschätzt werden, dass er sich nicht einmal bemüht, Ihnen ein orthographisch fehlerfreies Zeugnis zu erstellen.

Wichtig

Analysieren Sie Ihr Arbeitszeugnis als Ganzes: Fangen Sie mit dem ersten optischen Eindruck an und arbeiten Sie sich dann an die Feinheiten der Formulierungen heran.

Worauf kommt es an?

Für Sie als Arbeitnehmer ist das Zeugnis gleichsam die Visitenkarte für weitere Bewerbungen, denn für Ihren potenziellen Arbeitgeber ist es eine der ersten Unterlagen über Sie, die er in der Hand hält. Und damit beeinflusst das Zeugnis seine Entscheidung, ob er Sie einstellt oder nicht, ganz wesentlich. Wenn bereits die äußere Form Ihres Arbeitszeugnisses nicht gewahrt ist, entsteht gleich ein erster negativer Eindruck -und der erste Eindruck ist bekanntermaßen schwer zu korrigieren.

Folgende Formerfordernisse hat der Zeugnisaussteller zu beachten:

  • Ordentliche und saubere Form

    Das Arbeitszeugnis muss sauber und ordentlich geschrieben sein. Das Zeugnis darf keine Schreibfehler, Verbesserungen, Durchstreichungen oder Flecken enthalten. Und es muss haltbares Papier von guter Qualität benutzt werden.

  • Maschinenschriftliche Erstellung

    Ein Zeugnis darf nicht handschriftlich (und schon gar nicht mit Bleistift) geschrieben sein. Nach der Verkehrssitte ist ein Arbeitszeugnis nur dann ordnungsgemäß erstellt, wenn es mit der Schreibmaschine oder dem PC angefertigt wurde.

  • Ausdruck auf Firmenpapier

    Wenn im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet werden und auch Ihr (bisheriger) Arbeitgeber Geschäftspapier verwendet, dann ist ein Zeugnis nur dann ordnungsgemäß, wenn es auf dem aktuellen Briefpapier geschrieben ist. Ein Arbeitszeugnis, das auf einem Blankobogen erstellt und mit einem Firmenstempel versehen wurde, erfüllt diese Forderung nicht.

  • Ansprechende Gestaltung

    Die äußere Form muss so gestaltet sein, dass nicht der Eindruck erweckt wird, der ausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung.

  • Tenor

    In welchem Ton ist Ihr Zeugnis geschrieben? Eher wohlwollend und warm oder eher kühl und distanziert? Enthält es lange, verschachtelte, komplizierte Sätze, nichtssagende Floskeln, allgemeine Redewendungen? Oder ist das Zeugnis präzise und klar formuliert?

  • Unterschrift

    Ein Arbeitszeugnis muss vom Arbeitgeber handschriftlich unterschrieben sein. Mit Hilfe der Leerstellentechnik kann der Arbeitgeber nämlich durch sein „Nichtunterschreiben“, eine negative Beurteilung zum Ausdruck bringen. Und der Unterzeichner muss ranghöher sein als der Empfänger des Zeugnisses. (Mehr zum Thema Unterschrift finden Sie auf den Seiten 22 f. und 63.)

Wenn Ihr Zeugnis z. B. Schreibfehler enthält oder andere Formfehler aufweist, sollten Sie dieses Zeugnis zurückweisen und die Ausfertigung eines ordnungsgemäßen Zeugnisses verlangen. Diesen Anspruch gegen Ihren Arbeitgeber können Sie, wenn notwendig, auch gerichtlich geltend machen. Nähere Informationen dazu finden Sie auf den Seiten 94 ff.

Checkliste: Welchen Gesamteindruck macht das Arbeitszeugnis
Bildelement
Ist die äußere Form tadellos, d. h. auf ungefaltetem, sauberem Geschäftspapier, ohne Schreibfehler und maschinell erstellt?
Ist das Zeugnis optisch ansprechend gestaltet?
Stimmt der „Ton“? Erweckt das Zeugnis den Eindruck, dass Ihnen Ihr Arbeitgeber wohlgesonnen ist, oder scheint er vielmehr die Zeugnisausstellung als lästige Pflichtübung angesehen zu haben?
Ist Ihr Zeugnis frei von Widersprüchen? Oder enthält
es klärungsbedürftige Punkte, die eine gute Beurteilung fraglich erscheinen lassen?
Ist Ihr Zeugnis überhaupt unterschrieben?