Das Birkenwasser

Im Tunnel ist es mindestens genauso dunkel wie im Keller. Besonders seitdem die schwere Metalltür hinter uns ins Schloss gefallen ist.

„Kuckuck Rosenzopf!“, rufe ich. Meine Stimme klingt seltsam dumpf. „Können wir noch mal zurückkommen? Wir haben unsere Glüh-Räupchen vergessen.“

Niemand antwortet.

„Kuckuck Rosenzopf?“, rufe ich noch mal.

„Er hört dich nicht“, sagt Lilly. „Bestimmt ist er schon wieder hinaufgegangen.“

„Na tolltoll … Und was machen wir jetzt?“

„Wir tasten uns vorwärts. Was bleibt uns anderes übrig?“

„Aber ich gehe vor“, sage ich, weil ich der Junge bin und weil Lilly schon oft genug die Führung übernommen hat.

Ich nehme Lilly an die Hand und strecke die andere vor mir in die Dunkelheit. Wir kommen nur sehr langsam voran, weil ich bei jedem Schritt Angst habe, der Boden könnte sich plötzlich zu einem schwarzen Abgrund auftun, doch bereits nach wenigen Schlurfern stoßen meine Finger gegen kaltes Metall.

„Hier ist eine Tür“, sage ich und drücke dagegen, was die Tür zu einem genervten Quietschen veranlasst.

Wir treten hinaus. Lilly sagt: „Ooooh!“ Und ich mache „Hui, hui, hui, hui, hui“, bis Lilly meine Hand loslässt und durch den Sand läuft. Er glüht orangefarben, was bestimmt etwas mit dem großen, roten Mond zu tun hat, der am Nachthimmel hängt.

„So viel Sand habe ich noch nienie gesehen“, sagt Lilly.

Die Wellen reichen bis zum Horizont. Ein Meer aus gefrorenem Sand, denke ich. Und dann denke ich an die Worte von Kuckuck Rosenzopf und frage mich, was an einer Wüste chaotisch sein soll.

„In welche Richtung müssen wir?“, fragt Lilly.

Ich schaue mich um, doch alle Richtungen sehen gleich aus, also mache ich: „Hmm …“

„Ich denke, der Katzenbaum hat dir gesagt, wo du das Birkenwasser findest?“

„Hat er ja auch … aber halt nicht so genau.“

Lilly macht das Gesicht, das sie immer macht, wenn sie kurz davor ist, richtig sauer zu werden. „Was hat er gesagt, Dodo?“

„Dass ich den Weg schon finden würde, wenn ich erst einmal da bin.“

Anscheinend gefällt Lilly die Antwort nicht besonders gut, denn sie rollt so doll mit den Augen, dass es wehtun muss und seufzt: „Das darf nicht wahr sein … Wir sind in einer Wüste, Dodo!“

„Ich weiß“, sage ich und suche weiter nach einem Zeichen, doch der Sand und die Wellen sehen noch immer überall gleich aus.

„Wie hast du dir das vorgestellt?“

Mein Blick bleibt am Mond hängen. Rund und rot, denke ich. Wie ein großer, wichtiger Knopf, den man auf keinen Fall drücken darf. Auf einmal verspüre ich ein unwiderstehliches Verlangen danach, meinen Zeigefinger hineinzubohren.

„Da entlang!“, sage ich und marschiere los.

„Bist du sicher?“, fragt Lilly und läuft neben mir her.

Ich nicke.

„Warum? Was ist da?“

„Der Mond“, antworte ich und kann Lillys Augenrollen förmlich spüren.

Der Sand ist tief, und bergauf ist es ziemlich anstrengend, doch immer wenn ich Lilly anbiete, sie zu ziehen, sagt sie nur: „Es geht schon.“ Bergab lassen wir uns kullern und schlagen Purzelbäume und lachen und schreien vor Vergnügen. Die gute Laune hält nur bis zum nächsten Aufstieg. Nach der zehnten oder fünfzehnten Welle rutschen wir hinab. Wir sind zu erschöpft, um Purzelbäume zu schlagen und zu müde zum Lachen und zum Schreien. Bei jedem neuen Aufstieg warte ich darauf, dass Lilly etwas sagt, doch sie tut es nicht. Und dann liegt auf einmal die letzte Welle hinter uns, und vor uns erstreckt sich ein ruhiges, orangenes Meer bis zum Nachthimmel.

In der Ferne glitzert etwas.

„Das ist Wasser!“, ruft Lilly.

„Bestimmt eine Fata Morgana.“

„Nachts gibt es keine Fata Morgana!“

Lilly läuft einfach los. Sie ist verdammt schnell für ein Mädchen. Ich habe Probleme mitzuhalten, was aber vor allem daran liegt, dass meine Schuhe voller Sand sind und der linke Klettverschluss aufgegangen ist. Wir rennen und rennen und das Glitzern wird größer und wächst zu einem Teich heran.

„Guck dir die Bäume an!“, sagt Lilly, als wir das Ufer erreicht haben, und ich wundere mich, dass sie überhaupt nicht außer Atem ist.

„Hübsch“, keuche ich.

„Dodo, das sind Birken! Und aus ihren Wurzeln fließt Wasser. Das heißt, der Teich besteht aus –“

„Birkenwasser!“, stoße ich hervor, um nicht vollkommen als Doofi dazustehen.

„Wir haben es geschafft!“, jubelt Lilly, fällt mir um den Hals und springt auf und ab. „Wir haben es gefunden!“

Ich will mitspringen – alleine schon, damit Lillys Schulter nicht immer gegen mein Kinn schlägt –, doch erst fehlt mir die Luft und dann stelle ich auch noch fest, dass wir nichts dabei haben, um das Birkenwasser abzufüllen.

Ich sage es Lilly.

Sie macht noch zwei kleine Hopser und lässt mich los. Sie schaut an mir herunter, schaut an sich herunter, durchsucht ihre Hosentaschen, schaut sich dann suchend um und jammert schließlich: „Das darf doch nicht wahr sein, Dodo. Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist!“

Ich tue es, aber es scheint nicht zu funktionieren. Lilly sieht immer noch so aus, als hätte sie gerade auf eine grüne Zitrone gebissen.

„Was machen wir denn jetzt?“

Ich mache wieder „Hmm“, doch sogar das hilft nicht.

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragt Lilly. Es klingt fast wie ein Vorwurf.

„Ich überlege.“

„Ohne Birkenwasser wird der Katzenbaum dir nie deine Frage beantworten! Und dann wirst du nie erfahren, was mit deinen Eltern passiert ist.“

„Ich weiß.“

„Och Mensch, Dodo, was machen wir denn jetzt? Wir können doch nicht so kurz vorm Ziel scheitern!“

„Vielleicht …“, sage ich. „Vielleicht können wir uns aus den Bäumen etwas schnitzen.“

Lilly schaut zu den Birken hinüber und nickt auf einmal ganz aufgeregt. „Das ist eine gute Idee! Das könnte tatsächlich klappen! Hast du ein Messer dabei?“

„Nee, leider nicht.“

„Na tolltoll …“ Ihr Kopf sackt nach vorne, als wäre sie eine losgeschnittene Marionette.

Ich überlege weiter und dann habe ich plötzlich die Lösung. Sie ist so naheliegend, dass ich mich wundere, warum wir darauf nicht schon früher gekommen sind.

„Wenn man Birkenwasser trinkt, kann man in die Zukunft sehen, richtig?“

„Kann schon sein. Warum?“

„Ganz einfach“, sage ich und komme mir dabei ziemlich gewitzt vor. „Weil ich nie aufhören werde, nach einer Antwort zu suchen. Das hat Kuckuck Rosenzopf selbst gesagt. Also werde ich früher oder später herausfinden, wer meine Eltern sind. Wenn ich also jetzt in die Zukunft schaue, werde ich es ebenfalls erfahren.“

Lilly scheint von der Idee nicht unbedingt überzeugt zu sein. „Du willst was?!“

„Weil ich es später, also in der Zukunft, ja auch weiß“, bringe ich den Gedanken zu Ende. „Ich muss nur von dem Birkenwasser trinken.“

„Nein, das ist viel zu gefährlich! Birkenwasser ist giftig!“

„Mach dir keine Sorgen, Lilly. Mir wird schon nichts passieren.“ Und weil sie einfach nicht aufhört, den Kopf zu schütteln und mich besorgt anzustarren, füge ich hinzu: „Mir kann gar nichts passieren. Weil ich doch in der Zukunft herausfinde, wo meine Eltern sind. Verstehst du?“

Tut sie anscheinend nicht. „Dodo, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!“

„Mädchen verstehen nichts von Zeitreisen“, sage ich und hoffe, dass die Diskussion damit beendet ist.

„Deine Freundin hat recht“, zerstört eine Stimme meine Hoffnung.

Ich drehe mich um. Auf der anderen Seite des Teichs steht ein Junge mit einem weißen Gewand und schwarzen Haaren. Er steht dort, als warte er darauf, dass jemand ein Bild von ihm malt. „Es ist verboten, das heilige Birkenwasser zu trinken. Sogar die alten Schamanen waschen sich nur die Hände damit“, verkündet er. Dann gibt er seine Pose auf und kommt zu uns herüber.

Ich weiß nicht genau, was ich antworten soll, also entscheide ich mich für: „Was weißt du denn schon!“

„Ich bin Agerian, der Agerianer“, stellt er sich vor und lächelt, als wenn uns das beeindrucken müsse. Seine Haut ist beinahe so dunkel wie seine Haare. „Mein Volk nutzt die Kräfte des heiligen Birkenwassers bereits seit Jahrtausenden.“

„Ich bin Dodo“, sage ich und ärgere mich, dass ich keinen Beinamen habe.

„Ich bin Lilly“, sagt Lilly, und mir gefällt gar nicht, wie sie Agerian und seine braunen Augen ansieht. „Lebst du hier?“

„Nein, ich bin mit meinen Eltern hier“, entgegnet Agerian. „Wir fahren jedes Jahr Zelten. Das ist so was wie eine Tradition bei uns. Um das Andenken unseres Volkes zu erhalten oder so. Die waren nämlich Beduinen.“

„Das hört sich voll cool an“, schwärmt Lilly und lächelt jetzt sogar noch.

„Eigentlich ist es ziemlich öde“, erwidert Agerian. „Aber die Zelte sind klasse. Wir haben eine richtige Zeltstadt aufgebaut. Gleich da vorne.“ Er zeigt in die Richtung, aus der wir gekommen sind. „Wenn du willst, zeige ich sie dir.“

„Wirklich?“, jauchzt Lilly und beginnt, an ihrer Unterlippe herumzukauen.

„Klar“, lächelt Agerian.

Und ich denke: Dodo, worauf wartest du eigentlich? Und dann knie ich mich ans Ufer und stecke einfach meinen Kopf in den Teich. Ich höre Lilly noch ein abgehaktes „Dodo, ni-“ rufen, bevor Birkenwasser in meine Ohren gluckert. Ich trinke und trinke und trinke. Als ich wieder auftauche, schreit Lilly noch immer. Oder schon wieder. Ich sehe ihr Spiegelbild über meiner Schulter.

„Dodo, bist du denn völlig bescheuert? Warum hast du das gemacht?“

Neben ihr steht Agerian. Sein Gesicht ist auf einmal fast genauso weiß wie sein Gewand. „Das hättest du besser nicht gemacht …“

Ich lächele und denke: So ein Angsthase!

Mein Spiegelbild verändert sich. Mein Kopf wird länger, meine Wangen schmaler. Die Sommersprossen verschwinden, ein dichter Bart sprießt.

„Es funktioniert“, blubbert mein Mund. „Lilly, es funktioniert.“

„Ich hole Hilfe“, sagt Agerian und ich denke: Endlich haut der Angeber ab.

Meine Stirn wächst und um die Augen herum bilden sich Falten. Lachfalten, denke ich und frage mich, woher ich das Wort kenne.

„Wer bist du?“, frage ich.

„Ich bin du, Dodo“, antwortet mein Spiegelbild. Seine Stimme ist viel dunkler und rauer als meine.

„Woher kennst du mich?“, frage ich.

„Weil wir uns nicht zum ersten Mal sehen. Aber das kannst du noch nicht wissen.“

Mein Spiegelbild sieht alt aus. Ich sehe alt aus. Sehr alt sogar. Noch älter als Lillys Vater und der ist schon 42.

„Dodo, mit wem redest du da?“, fragt Lilly hinter mir.

„Du hast sicherlich eine Menge Fragen“, sagt mein Spiegelbild.

„Ich hab nur eine einzige“, sage ich.

„Okaykay. Ich werde sie beantworten, wenn ich es kann.“

Mir wird schwindelig und einen schrecklichen Augenblick lang bin ich mir sicher, meinen Mund nie mehr öffnen zu können, doch dann sage ich schon: „Wer sind meine Eltern?“

Mein Spiegelbild kneift die Augen zusammen. „Ja … das ist eine gute Frage …“

„Kannst du sie mir beantworten?“

„Ja. Aber zuerst möchte ich, dass du etwas weißt. Deine Mutter wollte immer nur das Beste für dich. Sie will dich beschützen.“

„Wovor?“

„Vor deinem Vater. Und vor dem, für das er steht.“ Mein Spiegelbild macht eine Pause. „Wahrscheinlich verstehst du kein Wort, von dem, was ich sage, aber du wirst es verstehen, wenn du älter bist.“

Ich fühle mich wie auf einem Karussell. Als würde ich mich die ganze Zeit im Kreis drehen. „Wer sind meine Eltern?“

„Dein Vater ist der Chef.“

„Der Chef?“

„Er heißt so, weil er der Chef von allem ist.“

„Und meine Mutter?“

„Deine Mutter ist Tante Hablieblieb.“

„Tante Hablieblieb …“ Ich rutsche nach vorne und plötzlich schwimmen Ringe über den Teich. „Aber warum will sie, dass ich sie Tante nenne?“

„Damit sie trotzdem in deiner Nähe sein kann.“

„Aber warum … warum will sie nicht meine Mutter sein?“

„Sie kann nicht. Der Chef wüsste sonst, dass du sein Sohn bist. Doch das ist noch nicht alles, Dodo. Deine Mutter und dein Vater sind unsterblich. Und deshalb bist du es auch.“

„Ich verstehe das alles nicht“, flüstere ich, und kleine Tropfen fallen auf mein Spiegelbild.

„Du wirst es, wenn du älter bist“, sagt mein Spiegelbild wieder, doch das hilft mir jetzt auch nicht weiter. „Du wunderst dich sicherlich, warum deine Mutter mit dem Chef überhaupt zusammen war, wenn er doch so böse ist. Weil auch starke Frauen manchmal schwache Momente haben. Außerdem gibt es nicht wenige, die der Meinung sind, dass der Chef – so böse und verkommen er auch ist – das gewisse Etwas hat.“

Das gewisse Etwas, denke ich und sage: „Ich verstehe das alles nicht.“

„Das kommt noch“, versichert mir mein Spiegelbild. „Später. War bei mir ja genauso.“ Es schaut auf die Uhr. „Ich muss jetzt wirklich los.“

„Geh noch nicht!“

„Ich muss. Tante Hablieblieb wird jeden Moment kommen und dich in das Dorf zwischen den Spargelfeldern bringen.“

„Sie bringt mich weg aus Lichtwiese? Aber warum?“

„Weil du nun weißt, wer dein Vater ist. Und solange dieses Wissen in deinem Kopf ist, wird der Chef versuchen, es dort herauszuholen. Der hat alle möglichen Apparate für so was. Die V2-Box zum Beispiel, obwohl die eigentlich ziemlich nutzlos ist.“ Mein Spiegelbild lächelt. „Mach dir keine Sorgen, kleiner Dodo. Alles wird gutgut. Und schau dir noch den Abspann an. Das könnte später mal wichtig werden.“

Mein Spiegelbild winkt ein letztes Mal und verschwindet.

„Dodo, was ist mit dir?“, fragt Lilly. Sie klingt, als hätte ihr mein Selbstgespräch gehörig Angst eingejagt.

Ich will mich gerade vom Teich abwenden, als ein neues Bild im Birkenwasser erscheint. Ich sehe einen Garten und eine Terrasse mit einer taubenblauen Markise. Ein großer, dünner Mann schiebt ein grünes Etwas über den Rasen. Das Etwas funkelt in der Sonne und faucht ohne Ende, so als wäre es auf jemanden ganz schön stinkig. Seine Zähne rotieren so schnell, dass es wie ein Kreisel aussieht, und sein Bauch füllt sich mehr und mehr mit Grashalmen, doch das beruhigt das grüne Monster auch nicht. Der Mann wischt sich übers Gesicht und ich sehe, dass es eigentlich noch gar kein Mann ist, sondern mehr ein Junge, der einfach nur ziemlich groß gewachsen ist und dessen Haar sich am Hinterkopf bereits lichtet. Der Junge dreht sich um, und ich erkenne, dass ich es bin, der da das grüne Ungeheuer vor sich herschiebt. Das Bild verschwindet, wird durch ein neues ersetzt, aber auch dieses bleibt nicht lange. Ich sehe ein gelbes, schmales Häuschen und einen Raum mit bunten Farben. Ich sehe einen Sperling und eine alte Frau mit grauen Locken. Ich sehe ein U-Boot, das wie ein Fisch aussieht und einen Zug, der an einen Tausendfüßler erinnert. Dann hält die Dia-Show abrupt an. Ich stehe am Ende eines langen Metallstegs. Wind zerrt an meiner Kleidung. Unter mir gähnt ein schwarzes Loch von der Größe von mindestens zwei Krakrak-Bäumen. Die Wände des Schachts sind aus Metall. Der unendliche Schacht, denke ich und frage mich, woher ich seinen Namen kenne. Ein großer, schwerer Mann kommt auf mich zu. Er hat Mühe, seinen Cowboyhut auf dem Kopf zu behalten. Blut tropft von seiner Nasenspitze und auch sonst sieht er alles andere als gut gelaunt aus.

„Gib ihn mir!“, schreit der Mann gegen den Wind an. „Gib ihn mir, und ich rette uns beide!“

Ich schüttele den Kopf.

„Ich verzeihe dir!“ Der Mann kommt langsam näher. „Gib mir den Löffel und wir herrschen gemeinsam über Dunkelstadt und Lichtwiese! Als Chef und Sohn!“

Ein dumpfes Krachen wie von einer Explosion erschüttert den Steg, und ich klammere mich ans Geländer, um nicht in die Tiefe zu stürzen.

„Du hast heute sowieso keinen Wunsch mehr frei!“, brüllt der Mann. Sein Cowboyhut ist plötzlich nicht mehr da, was seine Laune nicht gerade verbessert. „Gib mir den Löffel oder stirb!“

„Keinen Schritt weiter!“, rufe ich und halte etwas über den Abgrund. Es ist ein rot-gelb gestreifter Löffel.

„So dumm bist du nicht!“, brüllt der Mann, aber er bleibt trotzdem stehen.

„Ich tu‘s! Und dann ist er für immer verloren! Dann können Sie kein Unheil mehr damit anrichten.“

Der Mann lacht, obwohl er gar nicht vergnügt aussieht. „Du Narr! Glaubst du wirklich, ich brauche den Löffel dafür? Mac Igor hat ihn für euch geschaffen, nicht für mich! Ich komme auch so zurecht. Aber ihr … ihr seid ohne den Löffel verloren.“

Ich spüre, dass er recht hat. Und ich schaue hinab in den schwarzen Abgrund und denke: Ich bin unsterblich. Ich bin unsterblich und morgen habe ich einen neuen Wunsch frei. Dann lasse ich mich einfach vornüberkippen, der schwere Mann schreit mir ein langgezogenes „Neiiiiin!“ hinterher, und die Schachtwände rasen an mir vorbei. Ich stecke den Löffel in den Mund und denke: Ich wünsche mir, dass Herr Langlöffler den Löffel zu meiner Omi bringt. Und weil ich nicht weiß, wie spät es ist, wünsche ich es mir einfach immer wieder und hoffe dabei, dass der Schacht tief genug ist.