Lennard Fanlay

Es ist eine alte Angewohnheit von mir, den Arbeitstag informiert zu beginnen. Das bedeutet, dass ich mir zuvor zumindest eine Nachrichtensendung im Fernsehen gönne.

Leider dient das meistens nicht der Stimmungsaufhellung. Ich sitze in meinem Wohnzimmer und sehe Naturkatastrophen, Kriegsschauplätze und schlechte Schauspieler, die so tun, als seien sie Politiker, die alles im Griff haben.

Vor dem Wetterbericht bringen sie Lokalnachrichten aus San Francisco und Umgebung.

Ich lausche nur mit einem halben Ohr den Worten des Sprechers über Einbrüche und Bandenkriminalität. Dann wird plötzlich der angeschossene Zeitungsbote aus meinem Viertel erwähnt.

Ich kenne den Jungen, habe ihm ein paar Mal Trinkgeld gegeben. Ein netter Bursche. Schwebt noch immer in Lebensgefahr.

Jetzt hat die Polizei einen Zeugen. Einen Obdachlosen, der von seinem Schlafplatz in einem leer stehenden Haus alles beobachtet hat.

Der Bote wurde aus einem langsam vorbeifahrenden Wagen angeschossen. Der Obdachlose konnte sich Fahrzeugtyp und einen Teil des Kfz-Kennzeichens merken. Er hat sich aus Angst, wie er sagt, erst heute früh bei der Polizei gemeldet.

Sie blenden ein Foto des mutmaßlichen Täters ein. Er ist flüchtig.

Junger Mann. Blond. Mit ein paar Pickeln auf der Stirn.

Ich kenne ihn nicht. Aber als ich dann seinen Namen unter dem Foto lese, klappt mir die Kinnlade runter.

Desmond Asher.

Ich habe ein sehr gutes Namensgedächtnis. Das ist einer der jungen Leute, die Hamish Geffen bei mir angemeldet hatte.

Und die Marc in meinem Auftrag durchs Terminal führen musste.

Vorher hat Desmond Asher einfach auf einen Menschen geschossen.

Mein Handy klingelt. Das Display zeigt die Nummer des Überwachungsraums.

»Amoklauf!«, höre ich Paul Medeski sagen. Er versucht sich zu beherrschen, aber es gelingt ihm nicht ganz. Seine Stimme flattert. »Mehrere Tote. Ein Bewaffneter mit Maschinenpistole. Hat eine Geisel.« Paul schreit erschrocken auf. »Scheiße! Scheiße! Jetzt hat er Marc abgeknallt! O mein Gott!!!«

»Was!«, brülle ich. »Was ist mit Marc?«

Ich renne zur Haustür.