Silvestri lehnte mit finsterem Gesicht an dem gewölbten Durchgang zwischen Altons Diele und Wohnzimmer. Der kleine Hund schnupperte an seinen Nikes und wedelte mit dem Schwanz. Je finsterer er blickte, desto mehr wedelte Izz. Alton brachte das Feuer wieder in Gang. Er war barfuß.

Wetzon auch. Altons Morgenrock fiel ihr bis auf die Knöchel. Sie hatte das verschmierte Make-up abgewaschen und das Haar gekämmt. Den Ring behielt sie am Finger.

Izz sah sie als erste, lief auf sie zu und sprang mit fröhlichen kleinen Sätzen an ihr hoch.

Alton lehnte den Schürhaken an den Kamin, richtete sich auf und blickte sie fest an. »Soll ich euch zwei allein lassen?«

»Ja«, antwortete Silvestri.

»Nein.« Wetzon setzte sich aufs Sofa, und Izz sprang auf ihren Schoß. »Das ist rein beruflich. Stimmt doch, Silvestri?«

Sie hatte das Gefühl, er würde sie am liebsten würgen, konnte beinahe seine Hände um ihren Hals spüren. Die Mischung aus Macht und Freude, die sie erfüllte, gefiel ihr nicht. Was war aus ihr geworden? Sie war ein gemeines, intrigantes Weibsstück geworden. O ja, eine, die nie eine richtige Beziehung mit irgendjemandem gehabt hatte. Wie hatte sie Smith jemals verurteilen können?

»Leslie?« Alton sah sie an.

»In Ordnung, Alton. Du kannst uns allein lassen. Aber nur, wenn du aufhörst, mich so böse anzustarren, Silvestri, und dich hinsetzt.«

Alton ließ es sich nicht nehmen, sie zu berühren, ihre Wange, ihren Scheitel, bevor er aus dem Zimmer ging. Als wollte er sagen: Mein Besitz, Silvestri, Betreten verboten.

Silvestri sank in einen der Klubsessel, und sofort verließ Izz Wetzon zu seinen Gunsten. Sie nahm ihn anscheinend an, und er wirkte ratlos mit dem kleinen Hund auf dem Schoß.

»Ich weiß, ich hätte nicht weglaufen sollen«, sagte sie, während sie zuschaute, wie er Izz’ nassen Küssen auszuweichen suchte. »Sie ist ganz begeistert von dir, Silvestri.« Einen kurzen Augenblick sah sie in seinen Augen eine schreckliche Einsamkeit, die sie erschütterte. Ihr Blick fiel auf den Ring. Was tu ich da?

»So ist das also«, sagte er.

»Ja.« Sag mir, daß du mich liebst, Silvestri. Kämpfe um mich. Sag mir, wir können für immer zusammensein, und ich ziehe diesen Ring ab.

Doch er sagte nach einer langen Pause: »Das ist nur fair.« Er kraulte den Hund hinter den Ohren, und Izz zerfloß vor Liebe. »Das ist nur fair«, wiederholte er. »Du hast dich vom Tatort entfernt.«

»Ich hatte einen Angstanfall. O’Melvany hat mit mir gesprochen. Ich mußte einfach raus.«

Silvestri zog sein Notizbuch aus der Innentasche und rückte seine Schulterhalfter zurecht. »Warum berichtest du mir nicht alles, von deiner Abreise in Boston bis zu dem Zeitpunkt, als du Susan Orkins Leiche gefunden hast.« Sein Benehmen war förmlich, sein Ton kalt bis gleichgültig. Sie hatte ihn verloren.

Sie lieferte Silvestri einen knappen Bericht über ihr Tun und Treiben, ließ jedoch Carlos’ Uhr im Zusammenhang mit Sams Ermordung und Marks merkwürdiges Verhalten weg. Auch Susans Terminkalender erwähnte sie nicht. Sie würden ihn früh genug finden.

»Das ist alles, was ich weiß. Dilla könnte mit Susan wegen Audrey Cassidy gebrochen haben.«

»Wer ist das?«

»Die Journalistin. Audrey hat im Spectator eine Klatschspalte über Film und Theater. Ich glaube nicht, daß Mort Hornberg Dilla getötet hat, weil es nach der gleichen Vorgehensweise aussieht und der Mörder Sam mit Mort verwechselt haben muß.«

»Vielleicht wollte Hornberg auch Meidner loswerden.«

»Mort ist ein Tyrann und ein Feigling. Wenn er Leute tötet, tut er es mit Worten. Er ist kein Mörder. Mit größerer Wahrscheinlichkeit ist er derjenige, der ermordet wird.« Sie zupfte an einem losen Fädchen an der seidenen Manschette. »Er ist zu allen richtig gemein gewesen, mich eingeschlossen.«

»Ach ja?« Es war ihr gelungen, sein Interesse wieder zu wecken.

»Ja. Er hat mir gesagt, ich sei unfähig, mit irgendjemandem eine richtige Beziehung zu haben.«

»Tatsächlich?« Er sah sie nicht an. »Aus welchem Grund bist du zurückgekommen?«

»Du hast mich zurückbefohlen — oder hast du das vergessen?«

»Laß mich in Ruhe, Les.«

Ihr wurde plötzlich übel. Sie kämpfte dagegen an. »Silvestri, tut mir leid. Ich wollte nicht...«

»Ja, klar, Les. Machen wir hier weiter. Es wird spät.«

Sie spürte ihr Herz hart werden. »Mort hat mich gebeten, Susan heute abend nach Boston mitzubringen. Sie hat die Songtexte bearbeitet, und da Sam tot ist, wollte Mort sie für einige Verbesserungen dort haben. Und ich mußte sowieso kommen, weil ich einem Makler beim Wechseln helfen mußte.«

»Möchtest du sonst noch was hinzufügen?«

»Silvestri, hat jemand bei Susan eine kleine Ledertasche gefunden mit... mit Schmuck, Diamanten und so weiter, eine ganze Menge davon?«

»Soviel ich weiß, nein, aber sie sind noch dabei, alles durchzukämmen. Sie kann noch auftauchen. Was ist damit?«

»Ich habe sie letzte Woche gesehen. Izz brachte mir ständig Sachen aus einem anderen Zimmer, während Susan Dillas Familie half, Dillas Sachen zusammenzupacken. Susan war außer Fassung, weil Izz mir die Tasche gebracht hatte. Sie hat sie in der Küche unter der Spüle versteckt.«

»Ich überprüfe es.« Er setzte Izz auf den Boden und stand auf. »Von jetzt an wirst du mit Bernstein zu tun haben.«

Ihre Wangen brannten, als hätte er sie geschlagen. Sie brauchte eine Weile, um sich zu erholen. »Der Einbrecher könnte nach dem Schmuck gesucht haben. Ich habe dir gesagt, daß Susan vor jemand Angst hatte. Sie muß aus der Dusche gekommen sein und den Dieb überrascht haben und dann die Treppe hinuntergefallen sein, als sie versuchte wegzulaufen.« Wetzon hob ihren Mantel auf und folgte Silvestri zur Tür. Seine Schultern hingen, und es juckte sie in den Händen, ihn zu berühren.

»Du glaubst, es war ein Unfall?« Er blickte auf ihre nackten Füße, und sie wußte, daß ihm klar war, daß sie unter dem Morgenrock nackt war.

»War es keiner?« Sie hängte ihren Mantel in den Flurschrank. »Hattest du einen Mantel?«

»Nein.« Er rückte sein Jackett über der Waffe zurecht. »Der Gerichtsmediziner behauptet, daß sie nicht versucht hat, sich festzuhalten. Und das heißt, sie war entweder tot oder bewußtlos, bevor sie unten aufschlug.«