6

Nach unserer Rückkehr aus Seaton wollte Nicki sofort zum Wasserfall. Ich konnte sie gut verstehen, denn das war genau das, was ich auch gewollt hätte, wenn ich gerade bei dem Versuch gescheitert wäre, in einem muffigen Raum voller Porzellanfigürchen mit meinem toten Vater Verbindung aufzunehmen.
Ich hatte nicht bedacht, wie lang der Weg von ihrem Haus zum Wasserfall war. Und da die ganze Strecke auch noch bergauf ging, waren wir beide ziemlich außer Atem, als wir ankamen. Ein paar kleine Kinder schmissen gerade Steine ins Wasser, rannten aber weg, als sie uns sahen.
Ich zog mein T-Shirt aus. Nicki legte ihres ebenfalls ab und rannte ins Wasser. Ihr dunkelblauer BH stach deutlich von ihrer blassen Haut ab. Ich beobachtete sie, bis sie hinter dem Wasservorhang verschwand. Ich fragte mich, was es zu bedeuten hatte, dass sie sich vor meinen Augen das T-Shirt ausgezogen hatte. Hieß das, dass es ihr egal war, wenn ich sie so sah, weil ich ein Niemand war? Oder hatte die ganze Geschichte mit Andrea sie so aufgewühlt, dass sie nicht mehr wusste, was sie tat?
Eine Minute später kam sie triefnass und nach Luft schnappend unter dem Wasserfall hervor. »Du hättest mal sehen sollen, wie das im letzten Frühjahr hier war«, sagte sie. »Da hat einen das Wasser umgerissen, wenn man blöd genug war, sich runterzustellen.«
Das wusste ich, ich war nämlich blöd genug gewesen.
Ohne eine Antwort zu geben, watete ich in den Teich und trat unter den Wasserfall, damit er alle Erinnerungen an die Porzellanfigürchen, Andreas nichtssagendes Lächeln, die klappernde Klimaanlage und überhaupt an das ganze heutige Desaster wegspülte. Das Wasser prasselte auf mich nieder und ich hielt es länger als je zuvor darunter aus. Nicki hatte recht. Durch die trockene Augusthitze hatte das Wasser etwas von seiner Kraft verloren. Trotzdem dröhnten mir von dem Getöse immer noch die Ohren, als ich zum Ufer zurückging.
»Ich wollte dir gerade nachkommen.« Nicki zitterte und hatte eine Gänsehaut. Ich gab ihr mein T-Shirt, damit sie sich abtrocknen konnte, und zog es dann, nass, wie es war, an. Nachdem sie sich ihr trockenes Shirt übergestreift hatte, wrang sie ihr Haar aus.
»Bist du okay?«, fragte ich.
»Nein.«
Wir gingen zu unserem Haus. Im Souterrain befand sich ein Wandschrank voller Sportkleidung, die meiner Mutter gehörte. Ich gab Nicki eine Trainingshose, die sie anzog, während ihre Shorts zum Trocknen auf der Brüstung der Terrasse lagen. Meine nasse Kleidung stopfte ich schnell in die Waschmaschine, damit Mom sie nicht sah.
Meine Eltern wussten, dass ich im Bach badete. Dass ich mich unter den Wasserfall stellte, wussten sie nicht. Als wir hierhergezogen waren, hatten sie mich vor dem Wasserfall gewarnt, mir jedoch nie verboten, mich darunterzustellen – vermutlich kam es ihnen gar nicht in den Sinn, dass ich so etwas tun könnte. Und ich hatte nicht die geringste Absicht, es ihnen zu erzählen. Wenn sie meine nasse Kleidung also nicht zu Gesicht bekamen, würden sie auch keine unangenehmen Fragen stellen.
Nicki und ich setzten uns auf den Fußboden des Wohnzimmers und ließen uns von der Sonne bescheinen, deren Licht durch die Nadelbäume draußen drang.
»Bekomm das bitte nicht in den falschen Hals«, sagte Nicki, »aber ich verstehe nicht, warum jemand, der in solch einem Haus wohnt, versucht sich umzubringen.« Sie sah mich von der Seite an, doch ich starrte stur aus dem Fenster. Wahrscheinlich war ihr nicht klar, dass ich diese Frage schon hundert Mal zu hören bekommen hatte. Und dass ich sie mir auch oft selbst gestellt hatte.
Ohne sie je beantworten zu können. Ich wusste, dass es etwas mit der Glasscheibe zu tun hatte, die im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht und verschwunden war, um schließlich nicht mehr zu weichen, als ich auf die Highschool kam. Dr. Briggs hatte mich einmal gefragt, ob ich mich noch erinnern könne, wann ich zum ersten Mal das Gefühl gehabt habe, durch eine Scheibe von meiner Umgebung getrennt zu sein. Ich dachte zunächst, dass es vielleicht damals, in der Zeit mit Onkel Frank, gewesen sei, andererseits war mir aber so, als hätte ich dieses Gefühl auch schon davor gehabt. Ich wusste es einfach nicht genau.
Nachdem Nicki und ich eine Weile herumgesessen hatten, stand ich auf und holte uns eine Schale mit Nüssen, Sonnenblumenkernen und getrockneten Cranberrys. Wir stopften eine ganze Menge in uns rein und leckten uns das Salz von den Fingern.
»Das ist doch kein … Vogelfutter, oder?«, fragte Nicki und hörte abrupt auf zu kauen.
Ich lachte. »Das fragst du mich jetzt, wo wir schon die Hälfte gegessen haben? Was, wenn ich Ja sagen würde?«
Sie stieß ein Quietschen aus.
»Nein, nein«, sagte ich grinsend. »Das ist nur dieses Naturkostzeug, auf das meine Mutter steht. Außerdem esse ich es doch auch, oder?«
»Ja, aber du hast ja auch Selbstmordgedanken.«
Ich lachte wieder. Ihr Gesicht erstarrte sofort, als hätte sie den Satz am liebsten gelöscht. Aber das war okay. Eigentlich wünschte ich mir sogar, dass die anderen in der Schule auch mal solche Sachen zu mir sagen würden, statt immer nur von Weitem verstohlene Blicke auf mich zu werfen. Nicht dass ich gewusst hätte, wie ich ihnen das hätte klarmachen sollen.
»Wie war dein Vater denn so?«, fragte ich. Ich hatte mich auf die Couch gelegt, während Nicki noch auf dem Boden saß und sich die letzten Nüsse und Beeren in den Mund stopfte.
Sie hielt mitten in der Bewegung inne und starrte zu mir hoch. Nachdem sie die Finger aus dem Mund genommen hatte, sagte sie: »Ich hatte mal eine Puppe, die eigentlich Kent gehörte. Na ja, es war ein Spielzeug für Jungen, Actionfigur sagte Kent dazu. Jedenfalls habe ich diese Puppe sehr geliebt und ihr den Namen Slade gegeben, weil ich das für einen supertollen Namen hielt.« Sie fuhr mit den Fingern über den Boden der Schale, um das restliche Salz aufzustippen. »Eines Tages habe ich Slade unten im Seaton Park vergessen und es erst gemerkt, als wir wieder zu Hause waren. Ich bin total ausgeflippt. Matt und Kent haben sich über mich lustig gemacht und gesagt, Slade würde sicher gestohlen werden oder vielleicht auch kaputtgehen, wenn’s regnet, und dann sagten sie, ich solle aufhören rumzuflennen, es sei doch nur ein Spielzeug. Doch mein Dad fuhr zum Park zurück, um Slade zu holen, obwohl das Abendessen schon fertig war. So ein Mensch war mein Dad.« Sie steckte sich die Finger wieder in den Mund, um das Salz abzulutschen. Ich starrte auf ihre Lippen.
Sie schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte. Als ich das nicht tat, zog sie die Hand aus dem Mund und wedelte sie hin und her, damit sie trocken wurde. »Er ist oft nach Sandford rausgefahren, um auf Pferde zu wetten. Manchmal nahm er mich mit. Ich fand es toll, den Pferden zuzusehen, besonders wenn sie direkt an mir vorbeidonnerten. Wir haben uns immer ausgemalt, was wir mit dem Geld alles machen würden, bloß dass er praktisch nie gewonnen hat. Nur einmal fünfzig Dollar. Damit sind wir schick essen gegangen, und ich habe mir zum Nachtisch Crème brulée bestellt, weil sich das so exotisch anhörte.«
Ich stützte mein Kinn in die Hände. »Und sonst?« Ein bisschen kam ich mir dabei vor wie Dr. Briggs. Es war schön, zur Abwechslung mal zuhören zu können, statt mir selbst Gesprächsthemen aus dem Hirn kratzen zu müssen.
»Er hat sich ständig mit Mom gestritten. Wegen Geld und weil er immer bis spät in die Nacht mit seinen Kumpels zusammen war.« Sie versuchte, die Schale zum Kreiseln zu bringen, was auf dem Teppichboden aber nicht klappte. »Er hat nie von Selbstmord gesprochen. Soviel ich weiß.«
Ich hatte auch nie davon gesprochen – zumindest nicht vorher.
Sie sah zu mir hoch. »Er hat sich im Wald hinter unserm Haus erschossen. Mein Bruder Matt und ich haben ihn gefunden.«
Mein Magen krampfte sich zusammen. Sofort sah ich im Geiste Blut, Hirnmasse und zerschmetterte Knochen vor mir und gab mir alle Mühe, dieses Bild zu verdrängen. Jemanden zu finden, der sich erschossen hatte, stellte ich mir entsetzlich vor – und dann auch noch den eigenen Vater. Und zuvor hatte sie ja schon mit angesehen, wie dieser Junge am Wasserfall ertrunken war. Wie hatte sie es bloß geschafft, fünfzehn zu werden, ohne einen seelischen Knacks zu bekommen, ohne in einer Anstalt wie dem Patterson Hospital zu landen? »Das tut mir leid, Nicki.«
»Du hast gut reden. Wer hätte dich denn gefunden?«
»Wir sprechen hier nicht von mir.«
»Ich will doch nur wissen, warum er es getan hat.« Sie sah mich unverwandt an. »Warum hast du es denn getan? Und jetzt sag bloß nicht, du bist nicht mein Dad, weil mir das nämlich egal ist. Der ist nicht hier, aber du bist hier.«
»Warum fragst du nicht deine Mom? Ich kannte deinen Dad doch gar nicht.«
»Sie kann nicht über ihn sprechen. Wenn man das Thema auch nur antippt, sieht sie im Gesicht gleich ganz grün aus. Und außerdem kennst du ihn ja doch irgendwie – ich meine, du weißt etwas über ihn, das sonst niemand weiß. Nämlich wie es ist, sich so zu fühlen.«
Ich holte tief Luft.
»Erzähl es mir«, sagte sie.
Vielleicht hätte ich ihr diese Bitte abgeschlagen, wenn wir nicht zusammen bei Andrea gewesen wären. Wenn ich nicht versucht hätte, Andrea zu helfen, den Geist von Nickis Vater heraufzubeschwören, wenn ich Nicki nicht hätte weinen sehen, wenn sie vorhin nicht mit mir herumgealbert hätte, als wäre ich ein normaler Mensch und kein labiler Psycho. Wenn sie ihren toten Vater nicht gefunden hätte.
Doch all diese Dinge waren geschehen. Deshalb holte ich noch einmal tief Luft und fing an zu erzählen.
Als wir in dieses Haus zogen, das Traumhaus meiner Mutter, war ich erst seit einem halben Jahr auf der Highschool. Ich war noch nie zuvor an einer Schule der Neue gewesen und wusste nicht, wie merkwürdig es ist, wenn man noch nicht mal den Weg zur Toilette kennt – ganz zu schweigen davon, dass man keinen Schimmer hat, wo die »angesagten« Tische in der Cafeteria und die »angesagten« Sitze im Schulbus sind. Wenn man neu ist, ist man echt allein.
Weil ich nicht wusste, wann sich das Baseballteam traf, verpasste ich das Testspiel. Als ich mit dem Coach sprach, erlaubte er mir, am Training teilzunehmen und ihm zu zeigen, was ich auf dem Kasten hatte. Doch bevor es dazu kam, fing das Haus an, undicht zu werden.
Es geschah während der Märzstürme, bei denen es schüttete, als stünde unser Haus direkt unter dem Wasserfall. Durch die Fenster sickerte Wasser herein, durchs Dach ebenfalls. Eines Nachts blitzte und donnerte es ohne Unterbrechung, während wir ihm Haus herumrannten, um überall Gefäße aufzustellen, die den Regen auffangen sollten. Ich musste lachen, weil dieses todschicke Haus, von dem meine Mutter wie besessen war, so schlampig zusammengeschustert worden war, dass es buchstäblich aus den Fugen ging.
»Da gibt es überhaupt nichts zu lachen!«, schnauzte meine Mutter, während sie Handtücher auf dem Boden ausbreitete, um die Pfützen aufzuwischen, die sich schon überall gebildet hatten.
»Das ist doch verrückt«, stieß ich hervor. Ich konnte es nicht fassen, dass sie die Ironie des Ganzen noch nicht mal ansatzweise sah und nicht den geringsten Galgenhumor dafür aufbrachte, dass wir hier wie die Blöden herumrannten und versuchten, jeden neuen Miniwasserfall aufzufangen. Ich hatte meine Unterwäsche an, da ich immer so schlief. Meine Eltern trugen Bademäntel über ihren Pyjamas, ihre Haare waren völlig zerzaust, und wir gerieten uns dauernd in die Quere, während wir von einer undichten Stelle zur nächsten rasten.
Das Haus sollte perfekt sein, war es aber nicht. Und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich deshalb besser, als ich mich seit Wochen gefühlt hatte, so als hätte der Druck auf meiner Brust ein wenig nachgelassen. Mir war lange nicht zum Lachen zumute gewesen, und es sollte lange dauern, bis ich wieder einen Anlass dazu hatte, doch in jener Nacht konnte ich einfach nicht aufhören zu lachen.
»Das sagt mir nichts«, meinte Nicki, die immer noch versuchte, die leere Schale auf dem Teppichboden zum Kreiseln zu bringen.
Nervös knetete ich das Couchkissen unter mir durch. »Ich rede nicht gern über diese Sache.«
»Ist schon okay. Ich hör dir zu.«
Während das Haus hier ein neues Dach bekam und abgedichtet wurde, mieteten wir ein Haus in Seaton. Meine Mutter war stinksauer und dokumentierte jeden Schritt der Reparaturarbeiten, um Material für den Prozess zusammenzubekommen, den sie schließlich gegen den Bauunternehmer anstrengte. Wir lebten inmitten von Kartons und Koffern, während die meisten unserer Möbel hierblieben und mit Plastikplanen abgedeckt wurden. In dem gemieteten Haus war mir alles fremd. Wenn ich nachts zur Toilette musste, rannte ich gegen irgendwelche Wände. Nichts gehörte mir dort.
Als wir umzogen, versäumte ich ein paar Tage Unterricht, darunter auch die Tage, an denen ich probeweise bei der Baseballmannschaft hatte mitspielen wollen. Und dann bekam ich eine üble Halsentzündung mit Schüttelfrost und Fieber und konnte mich kaum noch bewegen. Was dazu führte, dass ich noch mehr Unterricht verpasste.
Wie sich herausstellte, hatte ich Drüsenfieber. Ich war so krank, dass ich zum Klo kriechen musste. An einer bestimmten Stelle im Korridor, wo meine Mutter ein Nachtlicht in Form einer Muschelschale angebracht hatte, machte ich immer halt und blieb eine Weile liegen, die Wange gegen die rauen Fasern des Teppichbodens gepresst, starrte zum Nachtlicht hoch und sammelte Kraft für den zweiten Teil des Wegs. Von den zwei Wochen, in denen ich krank war, habe ich hauptsächlich dieses Nachtlicht in Erinnerung behalten.
Der Coach teilte mir mit, dass ich Baseball erst mal vergessen könne. Er sagte, ich sei ja ohnehin noch im ersten Jahr und könne mein Glück dann im nächsten Jahr versuchen, doch ich glaubte inzwischen kaum noch daran, dass ich je wieder Baseball spielen würde. Wegen des Drüsenfiebers musste ich auch mit dem Joggen aufhören. Das hatte ich zwar nur so zum Spaß gemacht, nicht als Leistungssport, aber es gefiel mir, weil mir das Blut dann durch den Körper brauste und das Gefühl, als lebte ich hinter einer Glasscheibe, ein wenig nachließ.
Hinzu kam, dass ich mich in der neuen Schule immer noch nicht richtig auskannte, und dass ich nun so viel Unterricht versäumte, war da nicht gerade hilfreich.
Am schlimmsten war jedoch dieses unterschwellige Gefühl, das ich schon mehrmals gehabt hatte, obwohl es immer wieder weggegangen war – ein Gefühl der Erstarrung. Als sei eine Glasscheibe zwischen mir und dem Rest der Welt. Ein erdrückendes Gefühl der Isolation, als würde ich am Alleinsein sterben, ganz gleich, von wie vielen Menschen ich umgeben war.
Nicki griff nach meiner Hand. Ich zwang mich, durch sie hindurchzusehen und weiterzureden, denn wenn ich jetzt aufhörte und mich auf ihre Berührung einließ, würde ich das mit der Garage nie erzählen können.
Diese innere Starre und Leere schien ewig zu dauern, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Monate. Im Frühjahr sollten wir wieder in unser Haus einziehen können, doch aus unerfindlichen Gründen unterbrachen die Handwerker ihre Arbeit immer wieder und verschwanden dann tagelang. Meine Mutter war von dem Haus wie besessen. Mein Vater ging auf Reisen und fragte, als er zurückkam: »Sind die immer noch nicht fertig?« Ich hatte keine Freunde an der Schule. Das Drüsenfieber hatte ich hinter mir, sodass ich zumindest wieder am Unterricht teilnehmen konnte. Nur Joggen fiel immer noch flach. Wenn ich aus der Schule nach Hause kam, ging ich gleich ins Bett. Und in meinem Kopf war nach wie vor dieser Nebel, dieses Gefühl der Isolation. Die Hälfte der Zeit wusste ich überhaupt nicht, was Sache war. Selbst das Atmen fiel mir schwer.
Das Haus, das wir gemietet hatten, hatte eine Garage. Eines Nachts ging ich nach unten, um den Motor des Autos anzulassen. Meine Mutter war bereits im Bett, mein Vater hatte eine Besprechung und war noch nicht wieder da. Ich hatte zwar keinen Führerschein, wusste aber, wie man ein Auto startet. Ich kurbelte die Autofenster runter und ließ die Garagentür zu. Ich hatte mal gehört, dass es nur wenige Minuten dauern würde, bis sich eine Garage mit tödlichen Abgasen füllte. Nachdem ich den Zündschlüssel umgedreht hatte, ließ ich den Motor ungefähr eine Minute laufen.
Dann stellte ich ihn wieder ab, weil mir plötzlich etwas einfiel, das ich ebenfalls mal gehört hatte, nämlich dass die Abgase auch ins Haus drangen und die Leute dort umbrachten. Ich stieg aus dem Wagen, fand ein paar Laken und Handtücher, die jemand zum Abdecken benutzt hatte, und dichtete damit die Ritze unter der Tür ab, die von der Garage ins Haus führte.
Als ich wieder im Wagen saß, brachte ich es nicht fertig, den Zündschlüssel erneut umzudrehen. Was, wenn die Handtücher und Laken nicht ausreichten? Sie bestanden nur aus Baumwolle und ließen möglicherweise die Abgase durch. Was, wenn ich meine Mutter umbrachte?
Und wollte ich mir selbst das wirklich antun?
Doch mir fiel kein anderer Ausweg ein. Ich wusste nicht, wie alles besser werden sollte, sah keine Möglichkeit, den Nebel und die Dunkelheit zu vertreiben. Gleichzeitig fiel es mir unendlich schwer, diesen Zündschlüssel umzudrehen.
Ich saß im Auto, die Hand am Zündschloss, und überlegte hin und her. Überlegte und überlegte.
Nach einer Weile ging rumpelnd die Garagentür auf und mein Vater kam herein. »Was zum Teufel machst du denn da?«, fragte er, als er mich sah. »Was hast du im Auto zu suchen? Du hast doch gar keinen Führerschein.«
Ich sah ihn bloß an. Offenbar dachte er, ich wolle eine kleine Spritztour machen, doch dann bemerkte er die Handtücher an der Türritze. Abrupt drehte er den Kopf wieder in meine Richtung, ließ den Blick von den offenen Autofenstern zur Garagentür wandern, die bis eben geschlossen gewesen war.
Nicki drückte mir so heftig die Hand, dass ich fast aufgehört hätte zu reden. Aber da ich nun einmal so weit gekommen war, konnte ich den Rest auch gleich noch erzählen.
»Hast du den Motor angelassen?«, fragte mein Dad. »Weißt du denn nicht, dass man das in geschlossenen Räumen nicht darf?«
»Doch, weiß ich«, erwiderte ich. Mehr brachte ich nicht heraus. Wir starrten einander an. Ich glaube, er wartete darauf, dass ich ihn beruhigte und sagte, dass die Dinge anders lagen, als sie aussahen, obwohl wir beide wussten, was Sache war.
Er schnupperte. »Hast du den Motor laufen lassen?«
»Nur ganz kurz«, sagte ich.
»Wo zum Teufel ist deine Mutter?«
Ich zeigte auf die Verbindungstür zum Haus.
»Raus aus dem Auto!«
Doch ich konnte mich nicht von der Stelle rühren und ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. Er rannte ins Haus, um meine Mutter zu holen.
»Ob mein Dad wohl erst den Finger auf den Abzug gelegt hat, ohne abzudrücken?«, flüsterte Nicki. »Ich meine, ob er gezögert hat, verstehst du.«
Ich wusste es nicht, aber ich hielt es jedenfalls für sehr wahrscheinlich. Möglicherweise hatte er genauso lange mit dem Finger am Abzug dagesessen, wie ich mit der Hand am Zündschlüssel im Auto gesessen hatte.
Mein Vater brachte mich in die Notaufnahme, wo man mich untersuchte, um festzustellen, ob ich eine Kohlenmonoxidvergiftung hatte. Was natürlich nicht der Fall war. Doch die Schwester fragte mich, ob ich versucht hätte, mir etwas anzutun.
»Ja«, sagte ich, »aber ich bin darin nicht sehr geschickt.«
Ich fand meine Antwort saukomisch, fast so lustig wie die Situation, als wir in unserm Haus herumgerannt waren, um die undichten Stellen abzudichten. Doch statt zu lachen, holte die Schwester ein paar andere Leute, die sich mit mir unterhielten. Nachdem sie mir weitere Fragen dieser Art gestellt hatten, teilten sie meinem Vater mit, dass ich nicht nach Hause zurückkehren könne, weil ich eine Gefahr für mich selbst darstellte.
»Ich komm mir aber gar nicht gefährlich vor«, sagte ich zu irgendjemand, einer Schwester oder Assistenzärztin oder so. Trotzdem wurde ich eingewiesen.
Am nächsten Tag erzählte ich der Psychologin des Krankenhauses, dass ich eigentlich gar nichts gemacht, das heißt den Motor nur ganz kurz angelassen hätte. Sie erwiderte, meine Eltern hätten letzte Nacht mein Zimmer durchsucht und dabei zehn Flaschen mit Kopfschmerztabletten gefunden, viel mehr, als ich gegen Kopfschmerzen bräuchte, und viel mehr, als ich bräuchte, um mich umzubringen. Sie fragte, warum ich die Tabletten gehortet hatte.
Ich wusste, dass ich mich mit den Medikamenten umbringen konnte. Gekauft hatte ich sie, weil ich mich jedes Mal, wenn ich eine neue Flasche erstand, gleich ein bisschen besser fühlte. Zumindest eine Zeit lang. Aber genommen hatte ich nichts davon, weil ich wusste, dass eine Überdosis meine Leber zerstören würde, und ich keine Lust hatte, mit einer verkorksten Leber weiterzuleben, falls der Versuch misslang.
Nicht dass ich der Psychologin irgendwas von alldem erzählt hätte. Als sie mich nach den Tabletten fragte, sagte ich, dass ich mir ständig eine neue Flasche kaufen würde, weil ich immer vergaß, dass ich schon welche hatte. Daraufhin wollte sie wissen, warum ich die Flaschen unter dem Bett versteckt hatte. Nicht versteckt, sagte ich, ich hab sie dort nur aufbewahrt. Sie schaffte es, nicht die Augen zu verdrehen.
Später an jenem Tag, nachdem meine Eltern mit Gott weiß wie vielen Kliniken und der Versicherungsgesellschaft telefoniert hatten, überwies man mich ins Patterson Hospital, nicht weit von Seaton entfernt.
»Wir können von Glück sagen, dass es hier in der Nähe solch eine gute Einrichtung für Teenager gibt«, meinte meine Mutter, als meine Eltern mich hinbrachten.
»Stimmt«, erwiderte ich. »Weil es hier glücklicherweise solch einen hohen Prozentsatz durchgeknallter Teenager gibt.«
Sie fuhr herum und hob die Hand. Meine Eltern hatten mich ungefähr seit meinem fünften Lebensjahr nicht mehr geschlagen. Davor hatten sie mir ab und zu einen Klaps auf den Hintern gegeben, zum Beispiel wenn ich die Wände mit Ketchup beschmiert hatte. Ich schloss die Augen und wartete auf die Ohrfeige, die aber nicht kam. Stattdessen brach meine Mutter in Tränen aus und krümmte sich schluchzend auf dem Vordersitz zusammen, wobei sie ihre Hände und ihren Ärmel mit Lippenstift und schwarzer Wimperntusche beschmierte.
»Nicht doch, Anne«, sagte mein Vater, indem er ihr die Schulter tätschelte, »es kommt schon alles in Ordnung.« Er drehte den Kopf hin und her, um festzustellen, wie dicht der Verkehr auf den anderen Fahrspuren war, und versuchte, rechts ranzufahren, was ihm aber nicht gelang. Die anderen Autofahrer rasten weiter und drückten wie wild auf die Hupe, sobald unser Wagen Anstalten machte auszuscheren.
»Verdammt noch mal«, sagte mein Vater, als wir von einem weiteren Auto angehupt wurden. Mom schluchzte und schniefte. »Anne, hilf mir doch mal ein bisschen und sag mir, wann die Straße frei ist. Anne!«, fuhr er mit erhobener Stimme fort. »Ich brauche deine Hilfe.«
Meine Mutter flennte weiter, während unser Auto mit hundert Stundenkilometern dahinraste, weil niemand uns vorbeiließ, damit wir anhalten konnten.
»Anne, könntest du dich für ein paar Minuten zusammenreißen?«
»Ich werd’s versuchen.«
»Könntest du einfach …«
»Vergiss es!« Sie setzte sich gerade hin. Auf ihren Wangen schimmerten schwarze Streifen. »Niemand wird dich rüberfahren lassen, weil den Leuten scheißegal ist, was andern passiert. Selbst wenn unsere Köpfe in Flammen stünden, würde niemand sein Tempo drosseln, damit wir die Spur wechseln können. Fahr einfach weiter, Harry.«
»Wenn du haltmachen willst …«
»Nein. Mir geht’s bestens.« Sie starrte durch die Windschutzscheibe hinaus. Die feuchten verschmierten Flecken in ihrem Gesicht trockneten allmählich ein. »Fahr nur weiter.«
Ich beobachtete meine Eltern und wusste, dass ich etwas empfinden müsste, doch da war nichts – nichts außer der Glasscheibe, dem schwarzen Loch, das heißt das, wofür ich nie die richtige Bezeichnung finden konnte. Das, was nicht hätte da sein dürfen, weil ich ein gesunder Junge aus guter Familie war. Ein Junge, dessen Mutter ihm noch nicht einmal dann eine Ohrfeige gab, wenn er sie provozierte, ein Junge, dessen Eltern ihn gerade in eine sündhaft teure Klinik brachten, um ihm das Leben zu retten, obwohl er sich gar nicht retten lassen wollte.
»Warum hast du nicht mit jemandem gesprochen, als du merktest, dass du Probleme hast?«, fragte Nicki.
»Mit wem denn?«
»Zum Beispiel mit deinen Eltern.«
»Und was hätte ich denen sagen sollen? Dass ich das Gefühl habe, hinter Glas zu leben? Hätte sich doch total beknackt angehört.«
»Wenn du ihnen erzählt hättest, dass du mit dem Gedanken spielst, dich umzubringen, hätten sie sich sicher um dich gekümmert.«
Was sie sagte, klang rundum vernünftig. Ich vergrub das Gesicht in meinen Armen und atmete tief durch. Die Couch roch schwach nach Rosen; die Putzfrau sprühte jede Woche etwas darauf, von dem wir in ein paar Jahren wahrscheinlich Krebs bekommen würden.
Ich hätte wissen müssen, was ich mir damit antat, Nicki alles zu erzählen. Wie schlecht ich mich danach fühlen würde. Ich hatte so getan, als sei das alles nur ein Klacks für mich. Ich hatte mir eingeredet, dass ich dem armen Mädchen half, mit dem Tod ihres Vaters fertig zu werden, dass mich das Ganze aber nicht berühren, mich nichts kosten würde.
Zumindest war ich beim Erzählen der Geschichte diesmal nicht zusammengebrochen wie bei der Gruppensitzung in der Klinik, als Val und Jake mich vom Fußboden hatten kratzen und wieder zusammenleimen müssen. Damals hatte ich zum ersten Mal richtig begriffen – im tiefsten Innern und nicht nur im Kopf –, was geschehen wäre, wenn ich den Zündschlüssel umgedreht hätte. Und mir war zum ersten Mal klar geworden, was für Riesenprobleme ich hatte. An jenem Abend war die Glasscheibe zersplittert.
Jetzt, bei Nicki, war es nicht mehr ein solcher Hammer wie beim ersten Mal, trotzdem wühlte es mich mehr auf, als ich erwartet hatte. Es ging nicht mehr darum, Nicki zu helfen. Ich versuchte nur noch, nicht aus der Fassung zu geraten. Warum hatte ich überhaupt angenommen, ich könne ihr helfen? Für wen zum Teufel hielt ich mich eigentlich? Ich war weder ein Arzt noch sonst ein Experte. Ich hatte ihren Vater nie kennengelernt.
Nicki legte mir die Hand auf den Rücken, so wie Val es mal gemacht hatte. »Bist du okay?«
»Ja.«
»Wirklich?«
Ich drehte ihr mein Gesicht zu. »Ja.«
»Tut mir leid, dass ich dich gezwungen habe, mir das zu erzählen.«
»Das hast du nicht.«
Sie sah stirnrunzelnd in Richtung Wand. »Doch. Ich habe so lange gedrängelt, bis du es mir erzählt hast.«
»Hat es dir geholfen?«
»Wie meinst du das?«
»Hast du erfahren, was du wissen wolltest?«
»Das … das weiß ich nicht.«
Wir starrten einander an. Die Pupillen ihrer grauen Augen hatten sich im Licht, das durch das Fenster hereinkam, zusammengezogen.
Danach gingen Nicki und ich nach draußen, um uns gegenseitig einen Baseball zuzuwerfen. Der Himmel hatte eine undefinierbare Farbe angenommen und sah ungefähr so aus wie schmutzige Milch. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir darauf kamen, mit dem Ball zu spielen. Jedenfalls brauchten wir eine Ablenkung und mussten das, was wir zueinander gesagt hatten, erst einmal hinter uns lassen. Einer meiner alten Baseballhandschuhe aus der Zeit, als ich mit Dad trainiert hatte, passte Nicki.
Zielen konnte sie ganz gut, aber ihre Technik war völlig daneben. »So musst du es machen«, sagte ich. »Nein … den Arm so nach hinten … passt du überhaupt auf?«
Sie kicherte und versuchte, den Ball auf dem Fuß zu balancieren. »Du brauchst mir nicht gleich Unterricht zu geben, Coach«, sagte sie.
Ich hielt sofort die Klappe. Das kannte ich nur zu gut von meinen Eltern, die früher aus jeder beknackten Sache etwas gemacht hatten, bei dem man »etwas lernen konnte«.
»Es sei denn, du möchtest, dass ich dir hinterher Volleyballunterricht gebe«, fuhr sie fort.
»Volleyball?«
»Klar. Letztes Jahr war ich in meinem Team Zuspielerin.«
Ich hatte mich im vergangenen Frühjahr nicht weiter um Baseball gekümmert. Gekonnt hätte ich es, da das Drüsenfieber ja lange genug zurücklag. Ich hatte überhaupt nichts gemacht, wofür ich zusätzlich Zeit an der Schule verbringen musste. Doch Nickis Worte versetzten mir einen Stich, und ich fragte mich, ob ich es dieses Jahr wohl geschafft hätte, ins Baseballteam aufgenommen zu werden. Ich fragte mich, wie gut ich noch gewesen wäre, nachdem ich so lange ausgesetzt hatte. Trotzdem sagte ich nur zu Nicki: »Na los, wirf mir den Ball zu.«
Der Himmel wurde immer dunkler, ohne dass es sich abgekühlt hätte. »Ist das heiß!«, sagte Nicki, während der Ball zwischen uns hin- und herging und in unsere Handschuhe klatschte. »Wenn wir so weitermachen, muss ich noch mal zum Wasserfall.«
»Bin ich dabei.«
»Was man über dich sagt, stimmt wirklich«, meinte sie lachend. »Du lebst ja praktisch am Wasserfall.«
Mein Wurf ging ein bisschen daneben, sodass sie sich strecken musste, um den Ball zu fangen. »Wer sagt das?«
Ihr Gesicht wurde knallrot. »Na ja … dass du dort immer rumhängst, wissen verschiedene Leute. Weil sie dich gesehen haben. Deshalb wusste ich auch, wo ich dich finden kann.«
Sie warf mir den Ball zu, den ich auffing und festhielt. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass sie gezielt nach mir gesucht haben könnte. Ich hatte immer angenommen, unser Treffen am Wasserfall sei reiner Zufall gewesen. »Du hast nach mir gesucht?«
»Ja, doch. Wegen meines Dads, verstehst du.« Sie kratzte sich am Arm und vermied es, mich anzusehen. »Wusstest du das denn nicht?«
»Darüber habe ich nie nachgedacht«, erwiderte ich zögernd. »Ich hab angenommen, dass ich dich einfach nur an deinen Dad erinnere. Dass du deswegen nach mir gesucht hast, wusste ich nicht.«
»Ist doch auch egal. Wir haben ja so oder so über meinen Dad gesprochen.« Sie hob den Kopf und sah mich kurz an. »Willst du mir nicht den Ball zuwerfen?«
»Stimmt schon, ist egal«, sagte ich, aber es war nicht egal, obwohl ich beim besten Willen nicht darauf kam, warum nicht.
»Nun wirf schon«, sagte sie.
Ich stand wie angewurzelt da, während mein Mund immer trockener wurde. »Dann hast du mich also nur benutzt, um meine Selbstmordgeschichte zu hören, ja?«
Am Himmel zogen sich dunkle Wolken zusammen. Auch in meinem Innern wurde es immer finsterer.
Nicki schüttelte den Kopf. »Nein, so war das …«
Ich pfefferte den Ball in ihre Richtung. Sie riss den Arm hoch und der Ball knallte in ihren Handschuh. Sie zog ihn aus und schüttelte die Hand. »Hey, willst du mir die Finger brechen?«
»Was sagen die Leute denn sonst noch über mich?«
»Nichts.« Sie bewegte die Finger hin und her.
»Wirst du ihnen von der Nacht in der Garage erzählen? Dass ich es in meiner Lahmarschigkeit noch nicht mal fertiggebracht habe, den Zündschlüssel umzudrehen?«
Sie trat auf mich zu, und ich machte einen Schritt zurück, weil ich ihre Nähe nicht ertragen konnte, ebenso wenig wie die Vorstellung, dass ich ihr vorhin erlaubt hatte, mich anzufassen. Die schwüle Luft machte mir das Atmen schwer.
»Was ist denn los?«, fragte sie.
»Ich mag es nicht, wenn die Leute diesen Scheiß über mich wissen.«
Die Baumwipfel bewegten sich im Wind hin und her. Nicki streckte die Hand nach mir aus. Der unangenehme Geruch meines Schweißes stieg mir in die Nase. Nicki schien er erstaunlicherweise nicht zu stören. Als sie mir mit den Fingerspitzen über den Arm strich, zuckte ich zurück.
»Fass mich nicht an.«
»Ryan, du benimmst dich wie ein Idiot. Hör mir doch mal zu.«
»Ich bin ein Idiot, weil ich dir all diesen Scheiß erzählt habe.« Ich brauchte unbedingt eine Dusche unter dem Wasserfall, brauchte das Getöse, den Schlag ins Gesicht, wenn ich meinen Kopf zurücklegte, um das Wasser auf mich niederprasseln zu lassen. »Warum gehst du nicht zu deinen Freunden, um dich mit ihnen über mich lustig zu machen? Erzähl ihnen, dass ich wie ein Blöder am Wasserfall rumhänge und nicht den Mumm hatte, den Zündschlüssel umzudrehen.«
»Ryan …«
»Und dass ich zu viel rede, vor allem mit den falschen Scheißleuten.«
Sie erstarrte.
»Geh nach Hause. Gleich fängt’s an zu regnen.«
Ein kalter Wind blies durch die Bäume und wehte ihr das Haar in die Augen. Ihre Shorts, die zum Trocknen auf der Brüstung der Terrasse lagen, flogen davon. Die Farne und die Büsche, die um unser Haus wuchsen, wurden vom Wind nach unten gedrückt. Nicki blickte zum Himmel hoch.
»Wir sind noch nicht fertig miteinander«, sagte sie, als wäre sie ein Cowboy, der sich zu Highnoon für eine Schießerei verabredete. Sie warf Ball und Handschuh auf die Erde und schnappte sich ihre Shorts. Dann rannte sie in den dunklen Wald, auf das heranziehende Unwetter zu.