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Das ist nicht gelogen. Ich habe tatsächlich einen Besichtigungstermin. Sogar gleich mehrere hintereinander, in Claires Wohnung. Beziehungsweise in meinem unverkäuflichen Objekt, als das ich es allmählich betrachte. Obwohl ich so nicht denken darf, sonst bekomme ich es nie verkauft. Ich habe mir noch nie so sehr ein Kaufangebot für eine Wohnung gewünscht, und ich hatte noch nie so wenig Glück, eins zu bekommen. Es wird nicht besser durch den Umstand, dass Posh Boy mich ungefähr dreimal am Tag darauf anspricht.

»Ach ja, Grace, hat sich schon etwas getan wegen der chaotischen Vierzimmerwohnung?«

»Ich arbeite daran.«

»Gut, bleiben Sie am Ball. Es hätte ja sein können, dass inzwischen jemand ein Angebot dafür abgegeben hat.«

Wirklich, eines Tages werde ich meine Zurechnungsfähigkeit verlieren, und es wird einen schlimmen Unfall geben, bei dem ein Locher zwischen seinen Beinen landet.

Ich habe wirklich Mitleid mit Claire, und ich möchte unbedingt ein gutes Angebot für sie herausholen, damit sie ausziehen kann. Die Wohnung birgt so viele schlechte Erinnerungen für sie. Ihr Mann ließ sich immer in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer massieren – mit anschließendem Happy End. Eines Nachmittags ging Claire ins Schlafzimmer, um das Babyphon zu holen. Sie sagt, sie habe vorher dreimal angeklopft. Ich kann nicht glauben, dass ein Mann so etwas fertigbringt, während seine Frau zu Hause ist.

Ich habe die Wohnung nur das eine Mal gezeigt. Ich habe versucht, Termine mit anderen Interessenten zu machen, aber Claire sagt jedes Mal mit der sanften Begründung, dass dies kein guter Zeitpunkt sei, ab. Da es jedem in ihrer Situation schwerfallen würde, dafür zu sorgen, dass die Wohnung sauber und aufgeräumt ist, damit potenzielle Käufer sie besichtigen können, habe ich alle Termine auf einen Tag gelegt und fahre vorher zu ihr, um beim Aufräumen zu helfen. Heute ist der große Tag – sechs Termine. Es ist ein gewisses Risiko dabei, das gebe ich zu, aber ich will unbedingt ein Kaufangebot, nicht nur, um Claire zu helfen, sondern auch, um den selbstzufriedenen Ausdruck in Posh Boys Gesicht wegzukicken.

»Hallo, Grace. PATRICK, LEG DAS WEG!«, sagt Claire, als sie mir die Tür aufmacht und ihrem Sohn gleichzeitig eine Monatsbinde aus der Hand nimmt. Wenigstens sind Claires Augen heute trocken – das ist ein großer Pluspunkt.

»Sorry.« Sie seufzt. »Er ist von den Dingern besessen, also gebe ich nach und lasse ihn einfach damit spielen. Ich habe angefangen, ihm eigens welche zu kaufen in der Hoffnung, dass er irgendwann herauswächst. Ich verstecke sie immer, wenn Besuch kommt.«

»Hi«, sage ich und trete ein. »Hallo, Süßer, warst du auch schön brav?«

»Ich iis ha sische.«

Ich habe keine Ahnung, was er versucht mir zu sagen.

»Oh, super, das klingt ja toll«, sage ich. Ich sehe Claire an, damit sie übersetzt, aber sie fängt an zu weinen. Jetzt schon. Oje.

»Alles okay?«, forme ich mit den Lippen.

Sie holt tief Luft und versucht zu lächeln. »Patrick hat gestern Abend seinen Daddy gesehen, nicht wahr, Liebling?«, sagt sie mit einer irren Ich-versuche-glücklich-zu-sein-Stimme, die jeden Moment zu kippen droht. »Und Patrick wird bald ein Brüderchen oder ein Schwesterchen bekommen.«

Mein Kiefer klappt herunter, und ich starre Claire ungläubig an. Dann beuge ich mich wieder zu dem Kleinen hinunter.

»Patrick, das ist aber spannend. Ich wünschte, ich hätte auch so viele Geschwister wie du«, sage ich und nehme ihn hoch auf den Arm. »Wo steckt eigentlich deine Zwillingsschwester? Sollen wir sie mal suchen gehen, um ihr Hallo zu sagen?«

Ich betrete das, was Schleimi im Exposé als großzügigen Multifunktionsbereich bezeichnet, was aber zurzeit der Wohn-/Ess-/Küchen-/Spiel-/Windelwechselbereich ist, den ich insgeheim Zimmer des Grauens nenne. Ich entdecke Patricks Zwillingsschwester Daisy vor dem Fernseher, wo gerade eine alte Folge von Mord ist ihr Hobby läuft. Ich höre Claire in der Diele schluchzen.

»Hallo, Süße«, sage ich zu Daisy.

Ich lasse Patrick hinunter. Er läuft direkt zu seiner Schwester und haut sie mit einem Plastikbagger.

»Patrick! Man schlägt andere nicht.«

Daisy fängt an zu weinen. Großartig. Die ersten Interessenten kommen in einer guten halben Stunde, und Daisy brüllt, während ihre rechte Gesichtshälfte sich rot färbt.

»Oh, Schätzchen«, sage ich und nehme sie in den Arm. »Blaue Flecken sind im Moment ganz in.«

Sie schlingt die Ärmchen um meinen Hals und schnieft an meiner Schulter. Ich schließe einen Moment die Augen. Schmusen mit Kindern ist so schön. Als ich sie wieder öffne, sehe ich, dass Daisy nicht nur mich umklammert, sondern gleichzeitig versucht, Patrick zu kneifen. Ich ziehe ihre klebrige Hand von ihm weg.

»Ah, das ist nett«, sagt Claire, als sie den Raum betritt und die Schmuseszene sieht, ohne wahrzunehmen, was sonst noch geschehen ist.

»Wie sollen wir vorgehen? Eine von uns könnte mit den kleinen Monstern spazieren gehen, während die andere hier klar Schiff macht, wenn Sie wollen.«

Claires Augen werden groß. »Würde Ihnen das etwas ausmachen?«

»Was, das Aufräumen?«

»Nein, die Zwillinge in den Buggy zu packen und mit ihnen rauszugehen. Das wäre echt super. Die Kleine schläft gerade, dann hätte ich hier meine Ruhe.«

»Sicher, kein Problem.«

Ich lächle sie an und bin insgeheim traurig, dass sie so begeistert ist von der Aussicht, eine halbe Stunde für sich zu haben, obwohl sie in dieser Zeit eine Großaufräumaktion veranstalten muss.

Ich schnalle die Kinder in dem Doppelbuggy an und flitze mit ihnen zur Tür hinaus.

»A-a-a-a-a!«, kreischt Patrick.

Ich hoffe, das bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der ich unterwegs bin, und nicht darauf, dass er sein großes Geschäft erledigen muss. Dafür ist jetzt keine Zeit.

Ich will zum Bilderrahmengeschäft, um etwas abzuholen. Es geht um ein Geschenk, mit dem ich mich bei Anton bedanken möchte, weil er so lieb zu mir war an dem Abend des Überfalls. Ich hätte es schon vor über einer Woche abholen können, aber mich hat der Mut verlassen, weil es für ein Dankeschön ein wenig kitschig ist. Na schön, ziemlich kitschig. Es handelt sich um ein Bild, das ich auf dem Portobello-Markt entdeckt habe: eine kleine Bleistiftzeichnung von einer Brücke über einem steinigen Bach. Das Motiv ist allerdings nicht das Kitschige daran, sondern, dass ich in meiner besten Schönschrift darunter geschrieben habe: Danke dafür, dass du meine Bridge over troubled water bist. Grace. So was sieht mir eigentlich gar nicht ähnlich. Danny habe ich nie so ein romantisches Geschenk gemacht, aber ich musste immer wieder daran denken, wie sicher ich mich in Antons Wagen fühlte, und dann habe ich das Bild entdeckt und musste es einfach kaufen. Ich habe es in den Laden gebracht, um es rahmen zu lassen, aber nun habe ich Bedenken, ob Anton sich gerade deshalb gezwungen fühlen wird, es aufzuhängen. Ich habe mich da ein bisschen verrannt, um ehrlich zu sein. Vielleicht sollte ich ihm das Bild doch nicht geben. Vielleicht sollte ich ihm besser einen anständigen Wein schenken.

»Hol einfach das verdammte Bild ab und gib es ihm«, murmle ich leise, während ich entschlossen in Richtung Ladbroke Grove marschiere.

Die Zwillinge schlagen und kneifen sich auf der gesamten Strecke, und als wir das Geschäft erreichen, bin ich völlig geschafft, dabei sind wir noch nicht lange unterwegs. Der Buggy ist zu breit, um durch die Tür zu passen, also muss ich draußen stehen bleiben und in den Laden hineinrufen.

»Ich möchte ein Bild abholen. Eine kleine Bleistiftzeichnung von einem Bach und einer Brücke.«

»Oh, die Bridge over troubled water. Für Ihren Schatz, nicht?«, erwidert der Besitzer.

»Äh … nein. Für einen Freund.«

Der Mann zieht die Augenbrauen hoch, greift in ein Regal hinter sich und kommt zu mir an die Tür. »Hier, bitte, Engelchen, ist hübsch geworden.«

Ich blicke auf das gerahmte Bild und lächle. Es mag vielleicht kitschig sein, aber es sieht wirklich hübsch aus.

»Danke. Das ist toll geworden.«

»Sehr romantisch. Womit hat er das verdient?«

»Mit nichts Besonderem«, sage ich.

»Sollte nur ein Spaß sein, Engelchen. Das macht dann zwanzig Pfund.«

Ich gebe ihm das Geld und mache mich auf den Rückweg. Nun habe ich Bedenken, dass mein Geschenk nicht nur kitschig ist, sondern auch noch wie ein Annäherungsversuch aussehen könnte. Wer hätte gedacht, dass es so problematisch sein kann, Geschenke zu machen? Ich werde in Zukunft bei Geschenkgutscheinen von Marks & Spencer bleiben.

Irgendwann auf dem Rückweg hören die Zwillinge auf, sich zu piesacken, und als ich einen vorsichtigen Blick riskiere, sind beide eingeschlummert. Besser könnte es nicht sein.

Ich lege den Finger an die Lippen, als Claire die Tür öffnet, und sie lächelt und hebt den Daumen hoch. Ich gehe hinein und lasse den Buggy in der Diele stehen. Das Zimmer des Grauens sieht positiv Feng-Shui-mäßig aus.

»Super«, sage ich zu ihr.

»Großartige Teamarbeit.«

»Ein Traumteam.«

»Sie haben es raus mit Kindern.«

Ich schneide eine lustige Grimasse, weil ich nichts anderes getan habe, als mit den Kindern im Buggy über die holprigen Gehwege von West London zu rennen.

»Sie sind doch nicht schwanger, oder?«

»Nein«, sage ich. »Warum?«

»Das ist nur so ein Spruch von meiner Mutter. Wahrscheinlich Altweibergeschwätz. Wer Kinder gern hat, hat auch gern ein Kind. Oder so ähnlich. Kaffee?«

Ich fröstle. Ich kann diesem Altweiberspruch nicht viel abgewinnen.