20

»Scheiße, Mann, was ist denn mit Ihnen passiert?«

Heute gibt es keinen Toast und keine Haribos, also habe ich ihre volle Aufmerksamkeit.

»Ich bin überfallen worden.«

»Nein! Wo denn?«

»Auf der Harrow Road.«

Ich sollte das auf eine Karte oder ein T-Shirt drucken lassen, echt wahr.

»Gibt’s doch nicht, Mann.«

»Ist er da, Ihr Chef?«

»Ja, aber er hat gerade jemanden hinten bei sich drin.« Sie beugt sich zu mir vor und verengt die Augen zu Schlitzen. »Wie sahen die Typen denn aus?«

Das ist eine originelle Frage, das muss ich ihr lassen.

»Keine Ahnung. Sie sind ziemlich schnell gerannt. Zwei Jungs, nicht sehr groß. Ich habe sie nur von hinten gesehen. Sie hatten ihre Kapuzen auf.«

»Was haben sie mitgehen lassen?«

»Nur meine Handtasche. Eine große violette Tasche von Primark. Können Sie mir sagen, wie lange das noch dauern wird?«

»Ne. Große Scheiße, nicht?«

»Ja, allerdings.«

»Wo denn genau auf der Harrow Road?«

»In der Nähe der Abendapotheke.«

Sie schnappt nach Luft. »Sie wollten sich die Pille danach besorgen, und dabei hat man Ihnen die Handtasche geklaut?«

»Genau.«

»Das ist so was von scheiße.«

»Ja.«

»Scheiße. Eigentlich darf ich das ja nicht, aber …«

Sie holt eine Tüte mit buntem Konfekt unter der Theke hervor und bietet es mir an. Ich greife hinein und erwische einen zappelnden Wurm. Das hat man davon.

»Danke.« Ich lächle.

»Ich hoffe bloß, dass das nicht mein Bruder war«, sagt sie mit vollem Ernst.

Ich habe keinen Bruder, ganz zu schweigen von einem, der Straßenräuber ist, deshalb weiß ich wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich mache ein Iiih!-Gesicht und hoffe, dass das reicht.

»Ihr Macker ist ein ziemlich heißer Typ, stimmt’s?«, sagt sie.

»Ich liebe zappelnde Würmer«, sage ich, bevor ich ihm den Kopf abbeiße. Dem Wurm natürlich, nicht Danny.

Der Apotheker kommt nun aus seinem Hinterzimmer mit einer Frau mittleren Alters. Beide sehen zu mir, und die Frau geht an die Theke, während ich zu dem Apotheker gehe.

»Wir kennen uns bereits«, sagt er, als versuche er, mich einzuordnen, und führt mich in das Medikamentenlager.

»Ja, ich war am Samstag hier, um mir die Pille danach zu besorgen, aber ich hatte nicht genügend Geld dabei. Später habe ich meinen Freund vorbeigeschickt, aber Sie wollten ihm das Medikament nicht geben.«

»Und Sie hatten in der Zwischenzeit einen Unfall.«

»Ja, ich bin überfallen worden.«

»Das tut mir leid.«

»Schon okay.«

»Also, wann hatten Sie ungeschützten Sexualverkehr?«

»Samstagmorgen.«

»Hatten Sie danach noch einmal Sexualverkehr?«

»So viel Glück hatte er nicht.«

»Und Ihre letzte Periode?«

»Vor zwei Wochen.«

»O ja, richtig.« Jetzt macht er ein Iiih!-Gesicht. Die sind wirklich sehr praktisch. »Sie sind in Ihrer fruchtbaren Zeit, und der Geschlechtsverkehr liegt länger als achtundvierzig Stunden zurück. Die Notfallverhütung garantiert keine hundertprozentige Wirksamkeit, deshalb muss ich Sie warnen … Es besteht eine kleine Chance, dass Sie schwanger bleiben, auch wenn Sie diese Pille nehmen.«

»Danke für den Hinweis.«

»Wir führen hier Schwangerschaftstests, falls Ihre Periode ausbleibt oder falls Sie sich … irgendwie anders oder schwanger fühlen. Gut, hier ist das Medikament. Bezahlen Sie bitte draußen bei Tara. Haben Sie denn heute genügend Geld dabei?«

Ich mache gerade die Erfahrung, dass man sehr nett behandelt wird, wenn man ein zerschundenes Gesicht hat.

»Ja.« Ich nicke und taste in meiner Jackentasche nach den dreißig Pfund, die ich mir von Wendy geliehen habe.

Ich gehe langsamer als sonst zurück an die Theke. Aus irgendeinem Grund habe ich Angst, dass wieder etwas Ungewöhnliches passieren könnte, das mich daran hindert, das Medikament zu kaufen, aber es gelingt mir, zu bezahlen und Sainsbury’s zu verlassen, ohne die Schachtel in ein Loch fallen zu lassen, ohne dass ein Vogel herabstürzt und damit davonfliegt, ohne von einem Einkaufswagen umgestoßen oder von einem Meteoriten getroffen zu werden.

»Gott sei Dank«, murmle ich, als ich sicher in meinem Wagen sitze und die Türen verriegle. Ich mache die Schachtel auf und schlucke die Pille mit etwas Wasser aus einer Flasche, die unter dem Sitz liegt.

»Bitte, Dad, Gott, Allah, Buddha und die Zahnfee, ich bin definitiv noch nicht bereit für ein Kind. Bitte, lasst mich nicht schwanger sein«, sage ich laut.

Es mag seltsam klingen, aber ich bin recht zuversichtlich, dass sie mich gehört haben.