11. Kapitel
Tobias lag mit seinem Ausruf glücklicherweise daneben. Alles andere hätte mich aber auch schwer gewundert. Oder eher empört bis entsetzt. Wir stehen in den Studiogebäuden einer Daily Soap, die hier in der Lüneburger Heide gedreht wird. Gelbe Tulpen oder so, ich habe die Serie noch nie gesehen, denn für so etwas habe ich schlicht keine Zeit. Für unser Firmenseminar, so hat David uns bereits im Bus erklärt, hat die Produktionsfirma uns netterweise alle Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, sogar zwei professionelle Kameramänner und ein Cutter werden da sein, um uns bei unseren »Filmarbeiten« zu unterstützen. Er hat uns in zwei Gruppen eingeteilt; ich bin mit Jenny, Natascha, Tobias, Oliver, Robert, Silke und Mareike in einem Team gelandet.
»Jetzt versteht ihr vielleicht«, erklärt David uns, als wir erwartungsvoll im Studio stehen und auf weitere Anweisungen warten, »weshalb ihr euer kostbares Wochenende opfern musstet, denn wochentags wird hier natürlich gedreht.« Bei diesem Satz wirft er einen eindeutigen Blick in Richtung Oliver, der sich davon aber nicht im Geringsten beeindruckt zeigt und nur mit den Schultern zuckt. »Heute und morgen können wir die Studios in vollem Umfang nutzen. Jedem Team steht ein Kameramann zur Verfügung, und ab morgen Nachmittag geht’s dann in den Schnitt. Die Ergebnisse sehen wir uns am Abend zusammen an – und ich bin schon sehr gespannt darauf, was euch so eingefallen ist!«
»Was genau sollen wir denn drehen?«, frage ich.
»Nun, lass mich mal nachschauen«, David wirft einen Blick in sein schwarzes Buch, als wüsste er nicht ganz genau, was darin steht. »Überraschung: Was genau ihr dreht, ist voll und ganz euch überlassen. Eine Spielfilmszene, eine Kurzdokumentation, ein Ausschnitt aus einer Serie, völlig egal. Nur eine Bedingung ist festgelegt: Es sollte etwas mit unserer Branche zu tun haben.«
Hmm. Was will er damit bezwecken? Das mit der Büroklammer habe ich ja noch verstanden, da ging es ums Erfolgserlebnis und so, yes, you can, nichts ist unmöglich, aus Scheiße Gold machen – aber das hier? Wir wollen doch alle keine Schauspieler oder Regisseure werden!
Wie gern würde ich mal einen Blick in Davids Buch werfen, um herauszufinden, was es mit dieser »Bibel« auf sich hat. Dann wüsste ich auch, was noch auf uns zukommt und wie ich mich am besten darauf vorbereite und verhalte, denn Sinn und Zweck der Übungen wird darin ja sicher auch erläutert sein. Außerdem schreibt David hin und wieder etwas hinein. Ich könnte wetten, dass er sich Notizen über uns macht, und die würden mich natürlich noch viel brennender interessieren. Aber leider lässt unser Chef das Buch nie irgendwo rumliegen, und ich kann es ihm ja nun schlecht aus der Hand reißen.
»Geht auch ein Musikvideo?«, will Tobias wissen, springt mit einem großen Satz vor und fängt an, eine imaginäre Luftgitarre zu spielen und seinen Kopf dabei vor- und zurückzuwerfen.
»Klar«, sagt David, »alles, was euch so einfällt, lasst eurer Kreativität freien Lauf.«
»Und wer im Team bestimmt, was genau gemacht wird? Also, wer ist der Regisseur?«, frage ich nach. Alle lachen auf, und ich frage mich, warum.
»Das legt ihr im Team fest«, erklärt mein Chef. »Das Ergebnis soll eine Gruppenarbeit sein.«
»Gruppenarbeit, Stella!« Tobias grinst mich an. »Verstehst du? Nix mit ›Wer ist hier der Boss?‹ und so, wir sind alle gleichberechtigt!«
»Jaja, ist schon gut«, gebe ich zurück und laufe dabei mal wieder rot an. Gleichzeitig würde ich gerne einwenden, dass ich nicht glaube, dass so etwas funktioniert, wenn nicht einer das Sagen hat. Beim Segeln bestimmt ja auch derjenige, der die Pinne in der Hand hält, wo’s langgeht. Ohne Steuermann würde man schneller Schiffbruch erleiden, als man SOS funken kann. Aber ich behalte meine Einwände für mich, wir werden ja sehen, wie das läuft.
»Dann legt mal los!«, ruft David in die Runde. »Um eins machen wir eine Stunde Pause, das Catering wird genau hier dann ein leckeres Büfett aufgebaut haben. Und bis dahin geht Team A ins Studio 1, Team B ins Studio 3. Außerdem könnt ihr auch das komplette Gelände nutzen. Also, viel Glück!«
»Nein, nein, nein! So geht das einfach nicht!« Zwei Stunden später – es ist bereits halb eins – platzt mir der Kragen. Denn wie nicht anders zu erwarten war, haben wir in den vergangenen eineinhalb Stunden nichts produziert außer Chaos. Über die Diskussion darüber, was wir miteinander drehen wollen, sind wir bisher nicht hinausgekommen. Denn während Oliver und Robert »irgendwas mit Action und Verfolgungsjagd« machen wollen – was in Anbetracht der Tatsache, dass unser Studio wie ein Zimmer in einer Studenten-WG eingerichtet ist, etwas schwierig sein dürfte, und für wilde Verfolgungsjagden auf dem Außengelände fehlen uns schlicht Zeit und Know-how –, plädiert Jenny wiederholt für eine Tanzszene aus dem Musical Fame und dreht zur Bekräftigung ihrer Forderung seit einer halben Stunde eine virtuose Ballettpirouette nach der nächsten an den restlichen Teammitgliedern vorbei. Mareike spricht sich für eine nachgespielte Casting-Show à la DSDS aus (was ich bisher noch am besten finde), Silke präferiert »irgendwas mit Klassik«, während Tobias und Natascha sich komplett ausgeklinkt haben, weil sie lieber miteinander knutschen wollen. Sie haben sich halb hinter einem Vorhang versteckt, nur hin und wieder hört man ein Kichern, ein spitzes Kieksen oder ein von Natascha halb empört hervorgebrachtes »Tobi, lass das«. Wirklich eine tolle Truppe, mit der ich hier zusammenarbeite, der Oscar ist uns so gut wie sicher!
Unser Kameramann sitzt derweil gelangweilt in einem Regiestuhl, liest die Bild und gibt gelegentlich ein höchst unmotiviert klingendes »Sagt Bescheid, wenn ihr so weit seid!« von sich. Wenn das so weitergeht, werden wir David Dressler am Ende ein Band mit hübschem weißen Rauschen präsentieren.
»Leute, ehrlich!«, rufe ich noch einmal. »Wir müssen uns jetzt mal etwas Konkretes überlegen!«
»Hab ich doch!«, bringt Jenny schwer atmend hervor und dreht die nächste Pirouette.
»Fame ist scheiße und was für Schwule!«, kommentiert Oliver zum wiederholten Mal. »Da mache ich nicht mit.«
»Ich auch nicht«, pflichtet Robert ihm bei; die zwei geben sich in der Luft ein klatschendes High Five.
»Okay«, fange ich noch mal an, »aber auf irgendetwas müssen wir uns einigen, uns rennt gerade die Zeit davon.«
»Was schlägt denn Fräulein Cheforganisatorin vor?«, erklingt Tobias’ Stimme hinter dem Vorhang.
»Als Erstes schlage ich vor, dass ihr zwei mal aus eurer Kuschelecke kommt und hier mitarbeitet«, fahre ich ihn an. Mein autoritärer Ton scheint zu wirken; zehn Sekunden später kommt unser Liebespaar händchenhaltend aus seinem Versteck hervor und gesellt sich zu uns.
»Danke«, sage ich zu den beiden. »Ohne hier bossy sein zu wollen«, fahre ich dann fort und ignoriere dabei geflissentlich, dass mein lieber Kollege Oliver die Augen verdreht, »würde ich vorschlagen, dass wir jetzt mal Pause machen. Bis ein Uhr kriegen wir eh nichts Gescheites mehr hin. Um zwei geht’s dann weiter, und ich würde sagen, bis dahin überlegt sich jeder von uns ein Konzept, über das wir dann abstimmen. Okay? Und zwar ein neues, nicht das, was schon auf dem Tisch, aber nicht mehrheitsfähig war.«
»Okay«, willigen meine Teammitglieder ein. Der Kameramann blickt auf, schlägt seine Zeitung zusammen, erhebt sich von seinem Regiestuhl und stellt fest: »Dann braucht ihr mich ja bis zwei Uhr nicht mehr.« Schwups, weg ist er. Hätte sich ja auch mal mit seinem professionellen Know-how einbringen können, finde ich, aber vermutlich nervt es ihn nur, dass er sein Wochenende mit so einem chaotischen Haufen verbringen muss. Dabei kann’s ja nicht so schlecht sein, fürs Im-Regiestuhl-Sitzen und Zeitunglesen bezahlt zu werden.
»Na, wie läuft’s bei euch so?« Ich sitze auf einer der Bierbänke, die das Catering aufgebaut hat, schaufele Fettuccine al Salmone in mich hinein und bin in meine Grübeleien darüber, was wir gleich drehen könnten, vertieft, als David Dressler mit einem Tablett mir gegenüber Platz nimmt. Neben seinem Teller liegt das schwarze Buch, er bewacht es wirklich, als seien es die britischen Kronjuwelen. Seine grünen Augen mustern mich interessiert.
»Gut«, lüge ich dreist, »wir kommen super voran.«
»Was macht ihr denn?«
»Aber, aber, Chef«, gebe ich zurück und lächele ihn kokett an, »das soll doch eine Überraschung werden!« Er grinst.
»Sehr gut, genau so soll es sein!« Dann fängt er an, seine Pasta zu futtern. »Macht dir unser Seminar denn Spaß?«, will er zwischendurch wissen.
»Ja, schon.« Das sage ich natürlich schon allein, weil er der Chef ist. Aber als ich nun in mich hineinhorche, merke ich, dass es teilweise schon der Wahrheit entspricht, zu der aber noch ein Nachsatz gehört: »Auch wenn die Situation natürlich ein bisschen ungewohnt ist.«
Ein nachdenklicher Ausdruck tritt auf Davids Gesicht. »Das verstehe ich«, stimmt er mir zu. »Vor allem für euch bei Elb Records ist das natürlich eine riesige Veränderung.«
»Kann man wohl sagen.« Und dann kann ich nicht verhindern, dass mir meine größte Angst herausrutscht: »Natürlich machen wir uns alle Sorgen, wie es mit uns weitergeht, wenn wir zurück in Hamburg sind.«
»Darüber mach dir jetzt mal keine Gedanken«, meint David beruhigend. »Das Thema steht jetzt einfach noch nicht an, das wird sich erst mit der Zeit zeigen.«
Super, sofort bin ich wieder beunruhigt, denn wenn David sagt, dass das Thema jetzt nicht ansteht, wird es vermutlich irgendwann sehr wohl anstehen. Als ich gerade fragen will, ob es denn irgendwie denkbar ist, dass World Records in Zukunft mit zwei Senior A&R-Managern arbeiten wird, weil wir ja auch doppelt so viel zu tun haben werden, wird David von Silke gerufen, die zwei Tische weiter sitzt.
»Moment, bin gleich wieder da«, entschuldigt David sich, steht auf, geht rüber zu Silke und nimmt mit dem Rücken zu mir Platz. Mein Blick wandert wie hypnotisiert auf sein Tablett, das noch immer vor mir auf dem Tisch steht. Genauer gesagt auf das schwarze Buch, das auf dem Tablett liegt. Natürlich ist es ein Risiko, ich bin ja hier nicht allein. Aber David sieht jetzt nicht in meine Richtung, die anderen sind alle mit essen beschäftigt und unterhalten sich angeregt miteinander, und wenn ich vielleicht mal ganz kurz und unauffällig … Meine Hand wandert Richtung Buch.
»Na, na, na, Frau Kollegin!« Meine Hand schreckt zurück, weil mir jemand einen Klaps darauf gibt. Senior A&R-Manager Nummer 2 steht mit einem Teller Fettuccine neben mir und lässt sich keine drei Zentimeter von mir entfernt auf die Bank plumpsen. Kurz wackelt sie so sehr, dass ich befürchte, zusammen mit Martin und dem Möbelstück zu Boden zu gehen. »Wer wollte denn da gerade spitzeln?«, fragt er in tadelndem Tonfall.
»Niemand«, gebe ich leicht genervt zurück.
»Sah aber anders aus.«
»Dann hast du dich verguckt.« Martin lacht.
»Und schon ist sie wieder zickig, unsere Frau Wundermann.« Dann beugt er sich noch etwas näher zu mir, wenn das überhaupt noch möglich ist, so dass mir sein Aftershave in die Nase steigt, und raunt mir ins Ohr: »Ganz ehrlich, Stella, ich würde auch zu gern mal einen Blick hineinwerfen und rausfinden, was der große Guru noch so alles mit uns vorhat.« Ich rücke ein Stück von ihm ab, seine Nähe und dieser Duft irritieren mich irgendwie.
»Ich wollte gar nicht gucken«, beharre ich.
»Klar wolltest du das!«, sagt Martin. Dann senkt er wieder die Stimme. »Und du wärst ja auch schön blöd, wenn du es nicht versuchen würdest. Denn wir sind ja immer auch noch Konkurrenten, daran hat sich nichts geändert … leider.«
Was meint der denn jetzt mit leider? Doch bevor ich etwas dazu sagen kann, klingelt sein Handy. Er fummelt es aus seiner Hosentasche und nimmt den Anruf entgegen.
»Martin Stichler?«, höre ich ihn sagen. Ein kurzes Schweigen, dann folgt ein »Nein«. Wieder Schweigen. »Ach so, verstehe … hmmm …« Martin erhebt sich umständlich von der Bank und sagt zu dem Anrufer: »Moment«, entschuldigt sich bei mir mit einem Kopfnicken und marschiert telefonierend davon. Ich betrachte ratlos meine Pasta, irgendwie ist mir gerade der Appetit vergangen. Das schwarze Buch liegt nun wieder unbeobachtet da, aber … Nein, die Gefahr, von David oder einem anderen Kollegen dabei erwischt zu werden, wie ich darin herumstöbere, erscheint mir in dieser Situation viel zu groß. Außerdem habe ich nur noch eine halbe Stunde Zeit, mir etwas für unseren Film zu überlegen, schließlich habe ich David gegenüber behauptet, dass es bei uns super läuft. Wäre mehr als peinlich, wenn unser Team morgen Abend tatsächlich mit leeren Händen beziehungsweise einer leeren Kassette dasteht.
Mama, fällt es mir da ein. Ich werde mal Mama fragen, die wollte ich heute ja sowieso noch anrufen. Und wenn die nichts weiß, hat vielleicht Miriam, bei der ich es auch noch mal versuchen wollte, eine Idee. Ich krame mein Handy aus der Tasche und schalte es ein. Erfreut stelle ich fest, dass ich hier auf dem Studiogelände vollen Empfang habe. Und noch erfreuter teilen mir dreißig Sekunden später diverse Kurznachrichten meiner Mailbox mit, dass nicht nur Mama versucht hat, mich zu erreichen – auch Tim hat offenbar ganze vier Mal angerufen. Dann ist er also doch nicht mehr sauer oder verstimmt, denke ich erleichtert. Oder er will mir mitteilen, dass er seine Band bei einem anderen Label vorgestellt und sofort einen Vertrag bekommen hat, spukt es mir direkt im Anschluss durch den Kopf. Andererseits ist das Unsinn, denn er sprach ja von World Music – und da wird er derzeit niemanden außer ein paar Umzugsleuten antreffen. Die Info über unsere Fusion ist auch noch nicht publik, also …
Stella!, ermahne ich mich selbst, mach dir nicht schon wieder sinnlose Gedanken, sondern ruf ihn einfach zurück! Dann wirst du ja erfahren, was er wollte, und musst hier keine Kaffeesatzleserei veranstalten, die eh zu nichts führt. Hätte, könnte, würde, du bist ja schon wie Mama, frag ihn ganz simpel, worum es geht. Denn wer nicht fragt, bleibt dumm!
Ich bringe meinen Teller weg, sage David Bescheid, dass ich mich wieder an die Arbeit mache, und verziehe mich nach draußen in eine ruhige Ecke. Dann wähle ich zuerst Tims Nummer, weil ich natürlich am neugierigsten darauf bin, was er von mir wollte. Sein Anschluss ist besetzt, also rufe ich Mama an und berichte ihr von der aktuellen Situation.
»Was soll denn das bitte?«, fragt sie, als ich ihr erklärt habe, dass wir heute und morgen einen Film drehen.
»Keine Ahnung«, gebe ich zu. »David Dressler will es uns nicht verraten.«
»Der will euch doch nur Sand in die Augen streuen!«, trompetet sie.
»Sand in die Augen streuen? Häh?«
»Ein Ablenkungsmanöver ist das, nichts weiter!«, erläutert Mama.
»Ablenkungsmanöver? Wovon soll er uns denn ablenken wollen?« Jetzt verstehe ich gleich gar nichts mehr.
»Aber sicher, Kind!«, regt sie sich auf. »Er hält euch beschäftigt und kann so in aller Ruhe überlegen, wen von euch er rausschmeißt und wen nicht. Ein anderes Motiv kann ich hinter diesem ganzen Unfug nicht erkennen. Es ist doch ganz offensichtlich so, dass …«
»Äh, Mama?«, würge ich sie ab. »Tut mir leid, ich muss schon wieder auflegen, die anderen rufen nach mir.« Ehe sie widersprechen kann, drücke ich sie weg. Ich atme einmal tief ein und aus. Nein, das kann und will ich mir jetzt nicht geben, gerade erst habe ich mit Mühe und Not wieder einigermaßen meine innere Mitte gefunden, da werde ich mich von Mutti nicht wieder verunsichern lassen. Sand in die Augen streuen? Ich schüttele den Kopf, wo hat sie nur immer diese Ausdrücke aus den Fünfzigern her? So alt ist meine Mutter doch noch gar nicht! Noch einmal wähle ich Tims Nummer, aber es ist immer noch besetzt. Versuche ich es halt bei Miriam.
»Hi, meine Süße!«, meldet sie sich nach dem zweiten Klingeln. »Habe mich schon gefragt, wann du mal anrufst. Wie geht’s dir denn?«
»Ganz gut«, antworte ich und berichte Miriam in kurzen Zügen davon, was hier los ist. Von der Jugendherberge, davon, wie David Dressler uns alle reingelegt hat, von dem Büroklammerexperiment, davon, dass Martin Stichler insgesamt doch ganz in Ordnung zu sein scheint, und von Tim, der mir einen neuen Song vorgespielt hat.
»Hat er dir denn gefallen?«, will sie wissen.
»Und wie!«, gebe ich zu. »Aber …«
»Süße, wieso gibt es bei dir eigentlich immer ein Aber?«, unterbricht sie mich.
»Ich habe wohl irgendwie doof reagiert«, gebe ich zu. Ich seufze. »Zu blöd aber auch, dass ich ihm nicht sagen kann, was hier eigentlich los ist, und mir momentan nichts anderes übrigbleibt, als mit dem Vertrag noch ein bisschen zu warten.«
»Sag’s ihm doch einfach, wo ist das Problem?«
»Darf ich ja nicht, David war da ziemlich eindeutig, weißt du doch!«
Miriam gibt einen unwilligen Laut von sich. »Stella, mal ehrlich: Denkst du, die anderen nehmen das so genau? Wenn du ihm sagst, was los ist, hat er sicher Verständnis dafür. Und er wird bestimmt auch die Klappe halten, wenn du ihn darum bittest.«
»Du kennst doch das Motto der Rockerbande Hell’s Angels«, wende ich ein und gebe mir Mühe, dabei möglichst düster zu klingen. »Three can keep a secret if two are dead!« Miriam kichert.
»Stella, wenn ich dich daran erinnern darf: Du bist gar kein Hell’s Angel! Hoffe ich jedenfalls, sonst müsste ich unsere Freundschaft schwer überdenken. Also, vertrau Tim doch ein bisschen und erklär es ihm, das wird er schon nachvollziehen können. So, wie es jetzt ist, weiß er ja gar nicht, woran er bei dir ist. Ich meine, erst sagst du ihm, dass seine Musik toll ist, nimmst ihn aber nicht unter Vertrag, dann verbringst du eine Nacht mit ihm, weist ihn am nächsten Morgen wieder ab, und als Nächstes verschwindest du komplett und sagst ihm nicht einmal, wohin. Da wüsste ich auch nicht, was ich davon halten soll, und käme mir ein kleines bisschen verarscht vor.«
»Ich werd’s ihm sagen, wenn ich wieder in Hamburg bin und alles geregelt ist. Aber jetzt mal was ganz anderes«, wechsele ich das Thema, »wir sollen hier in zwei Teams ein kleines Filmchen drehen, das irgendwas mit Musik zu tun hat. Und mir fällt echt nichts ein, die anderen haben auch nur unbrauchbare Ideen. Hast du vielleicht eine Ahnung, was wir da machen könnten? Du bist doch schließlich eine Kreative!«
Miriam denkt einen Moment lang nach. »Vielleicht ein Musikvideo?«
»Haben wir auch schon drüber nachgedacht, ist aber in der Umsetzung etwas schwierig. Und bis wir uns auf ein Lied geeinigt haben, ist die Woche rum.«
»Dann fällt mir auch nichts ein.«
»Okay«, antworte ich etwas enttäuscht, »dann werd ich mir mal weiter den Kopf zerbrechen.«
»Mach das. Und wenn noch was ist, ruf an!«
»Klar, ich melde mich. Falls dir noch was einfällt, kannst du auch gern durchbimmeln, bis heute Abend habe ich Empfang.« Ich lege auf, dann wähle ich noch einmal Tims Nummer. Diesmal geht nur die Mailbox dran.
»Guten Tag«, höre ich seine angenehme Stimme sagen, »und herzlich willkommen auf der Mailbox von Tim Lievers von den Reeperbahnjungs. Wenn Sie mich im Moment nicht erreichen, liegt es vermutlich daran, dass ich gerade mit meiner Band auf Welttournee bin. Oder als Superstar damit beschäftigt, mein Geld zu wiegen. Vielleicht sitze ich auch gerade zusammen mit drei Supermodels in einem Whirlpool«, bei der Vorstellung muss ich gleichzeitig kichern und meine Eifersucht bekämpfen, »trinke an der Bar des Berliner Adlon mit Robbie Williams Champagner oder lasse mich in meiner Luxuslimousine an der Côte d’Azur entlangfahren. Na ja, vielleicht sitze ich auch nur zu Hause in meiner unaufgeräumten Zwei-Zimmer-Bude und träume von einem Plattenvertrag – wenn Sie mir einen anbieten wollen, hinterlassen Sie gern eine Nachricht! Alle anderen dürfen mir auch auf die Quatsche sprechen, ich rufe zurück, sobald ich meine Telefonrechnung bezahlen kann. Piiiiep!«
Prustend lege ich auf. Was für ein lustiger Spinner, diese neue Ansage kannte ich noch gar nicht. Ob er die extra für mich raufgesprochen hat? Ach, Unsinn, ich mache mir schon wieder zu viele Gedanken.
Aber so bescheuert es klingt: Tatsächlich stellen sich viele Leute so ein Leben als Musiker vor. Dass man, sobald man einen Plattenvertrag ergattert hat, sofort in Champagner und Geld badet. Wenn die wüssten! Denn so ist es schon lange nicht mehr. Seit die Musikindustrie vor einigen Jahren ziemlich zusammengebrochen ist, können nur noch die wenigsten Künstler ausschließlich davon leben. Und das auch nicht durch den Verkauf von Alben, sondern durch Auftritte bei Konzerten. So manche Nachwuchsband hat schon große Augen gemacht, nachdem ich ihnen erklärt habe, wie der Hase heutzutage läuft. Und nicht wenige haben daraufhin beschlossen, die Musik lieber als Hobby zu betreiben und sich ansonsten einen »richtigen« Job zu suchen.
Während ich darüber sinniere, wie sich die Branche in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, habe ich auf einmal einen Geistesblitz. Das ist es!
»Das ist der Tobi«, erklingt Olivers gleichtönende Stimme. »Der Tobi möchte Rockstar werden. Dafür hat der Tobi vor zwei Jahren mit seinen Freunden eine Band gegründet und seitdem ganz, ganz viele Songs geschrieben. Als der Tobi und seine Band der Meinung waren, die Lieder seien nun gut genug, um sich damit bei einer Plattenfirma zu bewerben, hat der Tobi mit seinen Kumpels im Übungsraum eine Demo-CD aufgenommen. Mit dieser CD geht der Tobi jetzt zu einer Plattenfirma.«
Wir sitzen alle zusammen im Aufenthaltsraum und gucken uns die Ergebnisse unserer Dreharbeiten an. Mein Team darf als Erstes seinen Film präsentieren. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich stolz auf uns bin, denn wir haben am Ende etwas wirklich Nettes hinbekommen. Eine Art Infofilm für aufstrebende Musiker, erzählt wie bei der Sendung mit der Maus. Tobias spielt den hoffnungsvollen Jungstar, der die verschiedenen Stufen auf dem Weg vom Proberaum über Plattenvertrag bis hin zur Weltkarriere erlebt.
Als ich gestern nach der Mittagspause mit dem Vorschlag zurückkam, waren sofort alle Feuer und Flamme und haben voller Begeisterung mitgemacht. Die Idee dazu kam mir nach Tims Mailboxansage, in Kombination mit meinem »Wer nicht fragt, bleibt dumm«-Gedanken. Okay, das ist Sesamstraße und nicht Sendung mit der Maus, aber da will ich jetzt nicht päpstlicher als der Papst sein. In jedem Fall wurde mein Vorschlag einstimmig angenommen, was mich total gefreut hat.
War auch gar nicht so schwierig, den Film zu drehen, zumal eigentlich nur jeder seine Rolle spielen musste: Ich die A&R-Managerin, die Tobi einen Plattenvertrag gibt, Oliver den Produktmanager, der Tobi betreut, Silke die Vertrieblerin, die dafür zuständig ist, dass Tobis Album in den Handel kommt – und so weiter und so fort. Insgesamt drei Minuten dauert unser Filmchen, und als es zu Ende ist, erhalten wir von den anderen begeisterten Applaus.
»Sehr schön«, meint auch David und klatscht. »Den könnte man so auf unsere Homepage stellen, damit sich Künstler vorab informieren können.« Er nickt anerkennend. »Das habt ihr wirklich gut hinbekommen.« Wieder wird geklatscht, und ich freue mir ein kleines Loch in den Bauch. Mag ja sein, dass die anderen mich manchmal ein bisschen bossy finden – aber am Ende ist es schließlich das Ergebnis, das zählt, und da kann sich mein Team nicht beschweren.
Im Geiste schicke ich ein kleines Dankeschön an Tim Lievers, ohne seinen witzigen Mailboxspruch wäre mir das wirklich nicht eingefallen. Vielleicht sollte ich später noch einmal versuchen, ihn zu erreichen, damit ich ihm davon erzählen und mich bei ihm richtig bedanken kann? Das würde natürlich bedeuten, dass ich ihm erzähle, was los ist … Aber möglicherweise hat Miriam recht, und ich sollte das eh tun. Ich könnte mir noch einmal von einem meiner Kollegen ein Handy leihen, da meins natürlich wieder komplett tot ist, aber eigentlich finde ich die Idee richtig gut.
»Dann bin ich mal auf das Ergebnis der anderen Gruppe gespannt!«, unterbricht David meine Gedanken. Martin Stichler steht auf, geht zum Videorekorder, holt unsere Kassette raus und steckt die seines Teams rein. Er dreht sich selbstbewusst lächelnd zu uns um.
»Dann schnallt euch mal an!«, fordert er und drückt auf Play. Die Titelmelodie einer bekannten Serie erklingt, die ich allerdings zunächst nicht einordnen kann. Auf dem Bildschirm sieht man lediglich einen offenen Fahrstuhl. Den erkenne ich wieder, der befand sich als Attrappe direkt vor Studio 1. Erst, als Martin ins Bild gestolpert kommt und der flackernde Schriftzug Strammberg eingeblendet wird, fällt bei mir der Groschen: Das andere Team hat eine Persiflage auf Stromberg gedreht!
Und, verdammt, sie ist gut. Bereits nach wenigen Sekunden liegen alle vor Brüllen auf dem Boden, als Martin alias Strammberg mit einer Bierflasche in der Hand in ein Großraumbüro (offenbar das Studio des anderen Teams) gestolpert kommt und Hilde, die gerade ein großes Stück Kuchen futtert, anlallt: »Erika, wo ’sn die Demo-CD von den Beat-Junkies? Die Sssscheibe von meim Audo iss eingefrorn, die muss ich freikratzn!«
»Weiß nicht, Herr Strammberg«, gibt Hilde kauend zurück, »ich glaube, die hat der Ulf der Tanja neulich zum Geburtstag geschenkt.«
»Abba die wollt ich doch habn.«
»Weiß ich jetzt auch nicht«, gibt Hilde zurück, ohne ihn weiter zu beachten, denn sie ist voll und ganz auf ihr Kuchenstück konzentriert. Schon bewundernswert, mit welcher Selbstironie sie ihre eigene Schwäche parodiert, so mutig muss man erst mal sein! Sven, Vertriebler bei World Records, kommt ins Bild gerannt und stürzt auf Martin zu.
»HeHeHerrr Strammberg«, platzt er stotternd heraus.
»Och, Ernie, was hassen du schon wieder?«
»Ich muss mich … es geht um den Urlaubsplan. Da hat sich die Tanja … Also, das geht so nicht! Die nimmt sich drei Wochen am Stück, und ich soll über Ostern arbeiten! Damit gehe ich zum Betriebsrat!« Mit entschlossen beleidigter Miene baut Sven sich vor Martin auf, verschränkt die Arme vor der Brust und steckt seine Hände wie ein schmollendes Kind unter die Achseln. Ganz genau so, wie Ernie aus Stromberg es immer tut. Echt zum Piepen ist das, wir können uns alle kaum noch halten vor Lachen.
Martin wendet sich nun direkt zur Kamera, streicht sich seinen imaginären Schlips glatt, hickst und teilt der Fernsehnation dann lallend mit: »Musssikbransche … Dasss isss nich so, wie du denkst, hier mit jeden Tag Trallalla und Hupssassa, und ich bin der Big Boss, und alllle tanzn nach deiner Pfeiffe! Neiheinnn, dassiss Krieg! Ich sach imma: Wo man sssingt, da lass dich bloß nich nieder! Bösse Menschn singen allle Lieda!«
Hilde wiehert laut auf und muss sich vor Lachen die Tränen aus den Augenwinkeln wischen, obwohl sie die Szene ja schon kennt. Und auch ich habe vor lauter Grölen schon Magenschmerzen, so etwas Komisches habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Mein Blick wandert rüber zu Martin, der sehr zufrieden aussieht. Und ich muss neidvoll anerkennen, dass es wirklich super ist, was das andere Team da hingelegt hat.
Mist!
Nachdem die letzten Sequenzen von Strammberg über den Bildschirm geflimmert sind, fordert die gesamte Truppe, es sich noch einmal anzusehen. Und danach noch einmal. Und noch einmal. Okay, natürlich ist es wirklich gut, was die anderen da gedreht haben, aber so langsam finde ich das doch übertrieben und merke, wie sich meine Laune verschlechtert. Irgendwann ist ja auch mal gut!
»Zeit fürs Abendessen«, fordert David uns nach der vierten Runde auf, und wir trotten geschlossen rüber in den Speisesaal. Martin gesellt sich zu mir und raunt mir ein »Habt ihr echt gut gemacht« zu.
»Danke«, gebe ich zurück. »Aber mir ist durchaus klar, dass es jetzt eins zu null für dich steht, eure Idee war um Längen besser und witziger als unsere.« Martin schüttelt den Kopf.
»Himmel, hast du noch immer dieses Konkurrenzding am Laufen?«, fragt er. »Wird langsam Zeit, dass du davon runterkommst.« Ich sehe ihn verblüfft an. Das sind ja ganz neue Töne!
»Äh«, gebe ich etwas verwirrt von mir, »du hast doch gestern Mittag selbst noch gesagt, dass wir Konkurrenten sind.« Er verdreht die Augen.
»Du verstehst ja wohl auch keinen Spaß und nimmst immer alles bierernst und wörtlich!« Es klingt zwar wie Kritik, aber Martin lächelt dabei freundlich. »Merkst du nicht, dass es dem Chef darum geht, unseren Teamgeist zu stärken? Und nicht, uns gegeneinander aufzubringen? Also, entspann dich mal!«
Nachdenklich sehe ich zu David hinüber, der gerade am Tisch zwischen Jenny und Hilde Platz nimmt und sich sofort angeregt mit ihnen unterhält. Teamgeist? Ja, gut möglich. Aber was, wenn Mama doch recht hat? Wenn das hier alles wirklich nur ein Ablenkungsmanöver ist, währenddessen er uns einem nach dem anderen auf den Zahn fühlen will, um zu entscheiden, wen er behält und wen nicht? Aber so richtig kann ich mir das nicht vorstellen, dafür ist David viel zu nett. Andererseits, wie Mama immer sagt: Man kann jedem nur bis vor die Stirnplatte gucken, was dahinter abläuft, sieht man nicht. Ich seufze.
»Ich versuch’s.«
Nachdem wir mit dem Essen fertig sind, steht David auf und richtet das Wort noch einmal an uns alle: »Ich muss sagen, dass ich wirklich sehr zufrieden damit bin, was ihr in den vergangenen Tagen abgeliefert habt. Eure Filme sind beide super geworden und unterstreichen wieder einmal mehr das, was ich euch schon zu Beginn gesagt habe: Im Team kann man viel erreichen!« Aha, wieder eine Motivationsrede. »Als kleine Belohnung wird der Tag morgen deshalb nicht besonders anstrengend für euch. Am Vormittag machen wir ein paar kleine Übungen, der Nachmittag ist mehr oder weniger frei.«
»Mehr oder weniger?« Klar, die Frage kommt von Oliver. David nickt.
»Morgen Nachmittag und übermorgen sollt ihr ein kleines Sommerfest organisieren.«
»Ein Sommerfest?«, will ich wissen. »Wir haben Ende Mai!« David seufzt und ringt gespielt mit den Händen.
»Da ist sie wieder, unsere Miss Supergenau«, sagt er, schmunzelt aber wenigstens dabei. »Dann nennen wir es Frühjahrsfest. Oder von mir aus Bergfest. Schließlich haben wir am Dienstag mehr als die Hälfte unseres kleinen Seminars rum, das können wir ruhig mal ein bisschen feiern.«
»Genau!«, tönt Tobias und gibt Natascha, die wie immer neben ihm sitzt, einen Kuss.
»Ich stelle euch ein Budget zur Verfügung, alles andere müsst ihr organisieren. Also Getränke einkaufen, Essen vorbereiten, Dekoration und so. Na ja, und Musik brauchen wir natürlich auch.«
»Darum kümmere ich mich!«, ruft Martin sofort. »Da habe ich schon ein paar Ideen!«
»Gut«, meint David.
»Ich würde gern das Essen vorbereiten«, bittet Hilde. Dann blickt sie Jenny und mich fragend an. »Vielleicht mit euch beiden zusammen?« Jenny zuckt mit den Schultern.
»Klar, gern.« Hilde sieht wieder zu mir.
»Ich kann überhaupt nicht kochen!«
Sie lacht. »Ich bring’s dir schon bei. So ein Party-Büfett ist schnell zubereitet und keine Zauberei.«
»Okay«, willige ich ein. Tobias und Natascha stürzen sich auf den Posten Dekoration, Oliver und Robert wollen sich zusammen mit Sven um die Getränke kümmern, meine übrigen Kollegen schließen sich nach und nach einem der Aufgabenbereiche an.
»Gut«, meint David, nachdem die Aufteilung geregelt ist. »Dann ist für heute Feierabend, und ich freue mich schon auf unser Fest. Da werden wir bestimmt alle großen Spaß haben!«
Nach seiner kleinen Rede löst sich die Gruppe auf, die meisten verziehen sich auf ihre Zimmer, ich selbst gehe noch einmal kurz nach draußen, um einen weiteren verzweifelten Versuch in Sachen Handyempfang zu unternehmen. Wenn ich mich ein Stück vom Haus Richtung Schneverdingen entferne, müsste ich doch irgendwann mal ein Netz kriegen! Vom Studio aus habe ich noch ein paar Mal versucht, Tim zu erreichen, und ihm noch zwei SMS geschickt, vielleicht hat er sich ja mittlerweile gemeldet?
Eine halbe Stunde lang stapfe ich durch die Pampa, halte mein Mobiltelefon wie einen Geigerzähler vor mir her, was für Außenstehende vermutlich ein bisschen schwachsinnig aussehen dürfte. Aber es tut und tut sich rein gar nichts. Ich stecke das Handy wieder weg, ich werde es morgen noch mal versuchen müssen. Wenn der Bus uns zwecks Partyvorbereitungen ins Örtchen fährt, müsste ich auch wieder Empfang haben.
Müde von den vergangenen Tagen schlappe ich durch den Flur zu meinem Zimmer. Ich will jetzt einfach nur noch eine Runde lesen, mit Möhrchen knuddeln und dann selig wegpennen. Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer – und traue meinen Augen kaum!
Vor meinem Bett steht … Martin.
»Was machst du denn hier?«, fahre ich ihn an, mehr verdattert als wütend.
Ehe ich weiß, wie mir geschieht, kommt er mit großen Schritten auf mich zugestürzt, reißt mich in seine Arme und fängt an, mich leidenschaftlich zu küssen. Ich rudere hilflos mit den Armen und falle fast um, so überraschend kommt Martins Übergriff.
»Stella«, bringt er zwischen zwei Küssen keuchend hervor, »ich hab hier auf dich gewartet! Ich musste das einfach tun, ich konnte nicht anders!«