Kapitel 14
Die nächste Woche verging wie im Flug und das vor allem, weil ich viele Abende damit verbrachte, aus Ingrids Kabinett des Grauens wieder unsere Wohnung zu machen. Rigoletto bekam das ganze Ausmaß der Verunstaltung nicht mit, da ich die schlimmsten Spuren von Ingrids Besuch bis zu seiner Rückkehr aus New York bereits aufgeräumt hatte. Ich fühlte mich ein bisschen wie diese Helfer in Katastrophengebieten, die vor der fast unlösbaren Aufgabe standen, aus einer unglaublichen Verwüstung wieder lebenswerte Flächen zu schaffen.
Ich war zu der Überzeugung gekommen, dass es besser war, wenn Rigoletto nicht erfahren würde, was seine Mutter mit unserer Wohnung veranstaltet hatte. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Selbstverständlich gewann ich ihn. Als Rigoletto nach sechs Tagen wieder nach Hause kam, waren ich und die Wohnung vorbereitet.
„Sag mal Schatz, glaubst du eigentlich an Feng Shui?“, fragte ich Rigoletto, kaum hatte er seine Jacke ausgezogen.
„Nein, wieso?“, fragte Rigoletto etwas verwundert zurück.
Wahrscheinlich hatte er erwartet , dass ich mich als erstes nach dem Erfolg seiner Reise erkundigen würde. Oder dass ich ihm um den Hals fallen würde. Ich aber hatte wichtigere Dinge auf dem Plan.
„Och, nur so. Als deine Eltern da waren, hat deine Mutter so ein paar kleine Feng Shui Sachen für die Wohnung mitgebracht, die ich aber weggeräumt habe, weil sie nicht so richtig in die Einrichtung gepasst haben. Wollte nur wissen, ob du an Feng Shui glaubst, dann hätte ich sie natürlich wieder hingestellt.“
Im Krieg und in der Liebe ist bekanntlich alles erlaubt. Die Tatsache, dass ich Ingrids gesammelte Feng Shui-Scheußlichkeiten noch Sonntagnacht mit viel Genuss und Schwung in den Müllcontainer entsorgt hatte, musste Rigoletto nicht erfahren. Ich hatte immerhin zwei der kleinen Buddhas aus der Küche aufbewahrt, um sie im schlimmsten Fall wieder aufstellen zu können. Sie würden noch an diesem Abend ihren Artgenossen in den im Müllcontainer folgen.
„Du, und dann hat deine Mutter da noch so ein paar Blumen mitgebracht und da ist was ganz Blödes passiert. Meine Freundin Tina hat mich gebeten, für eine Nacht auf ihre Katze aufzupassen und die hat doch die ganzen Blumen kaputtgemacht. Blödes Vieh!“
Manchmal bin ich wirklich froh, dass Männer und Frauen von sehr unterschiedlichen Planeten stammen. Jede Frau, die etwas auf sich hält, hätte sofort nachgefragt, wer denn diese Freundin Tina war, woher man sich kannte und warum sie bislang nicht erwähnt worden sei. Von der Katze mal ganz zu schweigen. Rigoletto nahm meine Ausführungen einfach so hin. Worauf ich spekuliert hatte. Ich hatte nämlich keine Freundin, die Tina hieß und es war auch niemals eine Katze in unserer Wohnung gewesen. Ich hatte die Blumen zerstört. Mit viel Freude.
„Ach, ist doch nicht so schlimm. Waren doch nur Blumen“, sagte Rigoletto gönnerhaft und ich konnte förmlich sehen, wie er darauf brannte, dass ich endlich die Frage nach dem Erfolg seiner Reise stellte. Doch ich war noch nicht fertig.
„Ach ja, und deine Schlumpf-Sammlung hat die dumme Katze auch aus dem Fenster geschmissen, als sie damit gespielt hat. Tut mir wirklich leid! Bist du sehr traurig?“
Ich kam mir schon ein wenig schäbig vor, aber wenn man mitten in einem Feldzug ist, dann kann man nicht plötzlich umkehren.
„Meine Schlumpf-Sammlung? Wie ist die denn hierhergekommen? “
Ich konnte beim besten Willen nicht erkennen, welchen Stellenwert dieser Verlust für Rigoletto hatte. War er betroffen? War er wütend? War er traurig?
„Die hat deine Mutter mitgebracht und auf die Fensterbank gestellt. Dann kam die Katze und das Fenster war auf und ‚schwupps’ waren sie alle weg, die Schlümpfe“, sagte ich und schaute traurig.
Im Geiste fügte ich hinzu: „Und natürlich bin ich nicht auf die Idee gekommen, auf die Straße zu laufen und sie wieder einzusammeln“. Hätte ich auch gar nicht gekonnt. War ja alles erstunken und erlogen. Ich persönlich hatte die Schlümpfe mit dem Vakumiergerät in eine schwarze Tüte eingeschweißt und diese ganz unten in den Müllcontainer gepresst – bei meinem Glück wäre sonst noch ein Schlumpfsammler voreigekommen und am nächsten Tag hätte in der Zeitung gestanden: „Wertvolle Schlumpfsammlung im Hausmüll aufgetaucht!“
„Kein Problem, ich hatte ganz vergessen, dass es die Schlumpf-Sammlung überhaupt noch gab. Deshalb werde ich sie nicht so sehr vermissen.“
Rigoletto nahm mich tröstend in den Arm, als wäre ich es, die über den Verlust einer Schlumpf-Sammlung hinwegkommen musste. Ich ging im Kopf meine Strategie durch und stellte zufrieden fest, dass ich mich gegen jegliche Nachfragen Ingrids, wo denn die schönen Sachen geblieben seien, abgesichert hatte. Das Thema ‚Jessica’ sparte ich mir für später auf. Alles zu seiner Zeit und jetzt fragte ich lieber nach Rigolettos Reise.
Ich weiß bis heute nicht, was Ingrid ihrem Sohn am Telefon über das Feng Shui unserer Wohnung berichtete. Ich weiß auch nicht, ob Rigoletto sich trotz meiner Erklärungen jemals gewundert hat, dass nichts von den Dingen, die Ingrid uns geschenkt hatte, in unserer Wohnung zu finden war. Erwähnt wurde das Feng Shui unserer Wohnung jedenfalls nie wieder. Ich war zufrieden und ein Blick auf den Kalender zeigte, dass es nur noch wenige Wochen bis zu unserem Golf-Urlaub in Portugal waren.