18. Kapitel

Monika fiel beinahe der Telefonhörer aus der Hand, als Ferrari zu Hause eintrudelte.

«Mam, ich muss Schluss machen, Francesco ist da. Ich rufe später nochmals an.»

«Hallo Schatz, du musst doch nicht wegen mir dein Gespräch beenden.»

«Ist etwas passiert, Francesco? Geht es dir gut?»

Sie fummelte besorgt an ihm rum.

«He … he … es ist noch alles dran.»

«Weshalb kommst du schon so früh nach Hause?»

«Weil mir der Sinn danach stand.»

Sie schaute ihn misstrauisch an.

«Du bist nicht etwa entlassen worden? Oder suspendiert?»

«Nichts dergleichen, Monika. Ich schwör es.»

Ferrari hob seine Hand zum Schwur und fixierte Monika mit finsterer Miene. Zumindest so lange, bis beide lachen mussten.

«Gut, ich glaube dir. Gehen wir eine Kleinigkeit essen? Es ist zwar erst Mittwoch, aber ich hätte Lust und einen Riesenhunger. In letzter Zeit haben wir es sowieso nicht mehr geschafft, regelmässig am Freitagabend essen zu gehen. Einverstanden?»

«Ja, natürlich. In die Pizzeria?»

«Gute Idee. Ich ziehe mich nur kurz um. Und dann fahren wir Nikki zu Mam.»

Die Pizza Gorgonzola war hervorragend, ganz geschweige von Monikas Saltimbocca mit Risotto. Ein Klassiker. Sie tranken einen schweren Roten und versuchten, gut gelaunt das nächste Urlaubsziel einzukreisen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Monika zog es in den Süden, am liebsten ans Meer, während Ferrari gerne ins Engadin fahren würde. Wandern im Nationalpark. Monika verzog das Gesicht. Und bestimmt wäre Nikki von dieser Idee alles andere als begeistert. Sardinien oder Korsika, das schon eher. Oder gemütlich zu Hause bleiben und ein paar Ausflüge machen, kam sein Gegenvorschlag. Monika prustete. Na schön, es war nur ein Versuch, der soeben kläglich scheiterte. Ferrari schmunzelte und gab nach. Wie meistens. Meer … ja, doch … das war auch gut. Nach zwei Espressi verlangten sie die Rechnung und spazierten Arm in Arm zum Auto.

«Das sollten wir viel öfters machen, Monika», sagte Ferrari, als sie zu Hause waren und es sich auf dem Sofa gemütlich machten.

«Habe nichts dagegen einzuwenden. Ist dir nichts aufgefallen?»

«Nein! Du hast ein neues Kleid? Eine neue Frisur?»

«Nichts von alledem. Wir sprachen den ganzen Abend kein einziges Mal über deinen Fall. Normalerweise sprudelst du nur so, wenn du mitten in Untersuchungen steckst.»

«Ich komme nicht weiter. Es ist alles so merkwürdig. Einerseits gibt es einige Personen, die einen Grund gehabt hätten, Rost auszuschalten. Nur, ob diese Gründe wirklich für einen Mord ausreichen, bezweifle ich. Andererseits plante er minutiös seinen Abgang.»

«Liebe, Eifersucht, Macht, Geld!»

«Bei zweien ist es Geld, beim Dritten weiss ich es nicht.»

«Nun erzähl schon», drängte Monika.

«Hansruedi Pfirter ist mein Favorit. Er schloss die Versicherung auf den Namen von Edith Rost ab und bekam dafür sozusagen ein Schweigegeld von 400 000 Franken. Das reichte bei Weitem nicht, um seine Schulden zu bezahlen. Und nach dem Tod von Hans Rost hätte er seine zukünftige Frau bestimmt rumgekriegt, damit sie seine ganzen Schulden bezahlt. Heinz Werner, Rosts Jugend- und Kegelfreund, bekommt von ihm ein Darlehen in der Höhe einer halben Million. Aus weiss der Teufel was für Gründen muss er plötzlich auf Biegen und Brechen eine weitere halbe Million bei einem Kredithai aufnehmen.»

«Also für mich kommt dieser Werner eher als Täter in Frage. Wer ist denn der Dritte im Bunde?»

«Anselm Stalder!»

«Der Journalist?»

«Exakt der. Er weiss über Hans Rost besser Bescheid, als er zugibt. Er hat mich ganz eindeutig belogen. Stalder wusste nämlich vom Darlehen und das konnte er nur von Rost selbst erfahren haben. Und ausgerechnet Stalder ist es, der mit seinem Team kurz vor dem Todessprung beim Zollgebäude auftaucht. Irgendetwas ist da faul.»

«Du gehst also davon aus, dass Hans Rost tatsächlich ermordet wurde.»

«Eigentlich schon. Wenn nur diese DVDs nicht wären. Eine harte Knacknuss und zugleich der Schlüssel zum Fall. Da bin ich mir ganz sicher. Jetzt kann ich nur abwarten, ob Denise Grieder noch weitere Aufzeichnungen erhält.»

«Wie macht sich deine neue Kollegin?»

«Gut. Sehr gut sogar. Sie hält mir den ganzen Kleinkram vom Hals. Mehr noch. Sie denkt mit und ist sehr aufmerksam. Eine gute Beobachterin. Sieht sogar Dinge, die ich übersehe. Eine hervorragende Analytikerin. Und ganz nebenbei bringt sie im Präsidium alle Männer unter vierzig um den Verstand.»

«Nur die unter vierzig?»

«Nicht nur, aber vor allem die. He! Sie ist wirklich nicht mein Typ. Da würde mir schon eher Denise Grieder gefallen …», scherzte der Kommissär.

«Untersteh dich! Wenn du dieser Unperson zu nahe kommst, reisse ich dir sämtliche Eingeweide raus und leg sie in Alkohol ein!»

«Brrrr. Weshalb musste ich mich auch nur in eine Apothekerin verlieben. Selber schuld. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr.»

«Mit Denise Grieder?»

«Nein, mit Nadine. Manchmal benimmt sie sich echt komisch. Am liebsten verkrümelt sie sich hinter dem Schreibtisch, hat fast schon eine Phobie, rauszugehen.»

«Dann seid ihr das ideale Team. Sie hält die Stellung, recherchiert im Hintergrund und erledigt den Bürokram und der Kommissär rast den ganzen Tag den Verbrechern nach.»

«Trotzdem, es ist eigenartig. Kennst du Noldi?»

«Den IT-Freak?»

«Der fährt am meisten von allen auf Nadine ab. Wenn er könnte, würde er mit ihr den ganzen Tag Händchen halten. Seit neuestem trägt er sogar eine Krawatte.»

«Das glaube ich nicht. Das ist doch der mit den zerrissenen Jeans und dem Dreitagebart», staunte Monika.

«Das war einmal. Nur noch im Vollwichs, schon noch Jeans, aber von Hugo Boss, Jacke von Camel und immer glatt rasiert wie ein Babypo.»

Ferrari gähnte.

«Ich gehe ins Bett. Kommst du auch?»

«Ich möchte noch einen Artikel lesen und komme nach. Schlaf gut, mein Schatz.»