28
Beim ersten Mal bist du über Nacht geblieben. Ich habe die Decke über uns gezogen und dir beim Schlafen zugesehen. Dein Gesicht war glatt und unbeschwert. Nur unter deinen Lidern waren winzige Bewegungen zu sehen. Wenn du geschlafen hast, musste ich nicht schauspielern und Distanz wahren, damit du nicht merkst, dass ich drauf und dran war, mich in dich zu verlieben. Ich konnte dein Haar riechen. Ich konnte deine Lippen küssen, und ich konnte deinen sanften Atem spüren. Wenn du geschlafen hast, warst du perfekt.
Du hast gelächelt, noch bevor du die Augen geöffnet hast. Du hast nach mir gegriffen, ohne dass ich dich dazu aufgefordert hätte, und ich habe mich zurückgelegt und dich Liebe mit mir machen lassen. Dieses eine Mal war ich froh, jemanden morgens in meinem Bett zu finden; ich erkannte, dass ich nicht wollte, dass du gehst. Wäre es nicht so absurd gewesen, ich hätte dir hier und jetzt gesagt, dass ich dich liebe. Doch stattdessen habe ich dir Frühstück gemacht und dich dann wieder ins Bett gelockt, damit du wusstest, wie sehr ich dich wollte.
Und ich habe mich gefreut, weil du mich gefragt hast, ob wir uns nicht wiedersehen könnten. Das hieß, dass ich nicht noch eine Woche allein verbringen musste, während ich auf den richtigen Zeitpunkt wartete, dich anzurufen. Also ließ ich dich glauben, dass du das Sagen hast, und wir gingen am Abend wieder zusammen aus und dann noch einmal zwei Tage später. Es dauerte nicht lange, und du warst jeden Abend bei mir.
»Du solltest ein paar Sachen hierlassen«, habe ich eines Tages gesagt.
Du hast mich überrascht angeschaut, und ich erkannte, dass ich damit die Regeln brach: Normalerweise sind es schließlich nicht die Männer, die eine Beziehung vorantreiben. Doch wenn ich an den Abenden zuvor von der Arbeit kam, verriet mir höchstens einmal ein umgedrehter Kaffeebecher in der Spüle, dass du überhaupt dagewesen bist. Dieser Mangel an Beständigkeit machte mich nervös. Du hattest schlicht keinen Grund, wieder zurückzukommen. Es gab nichts, was dich hier hielt.
Doch an jenem Abend hast du eine kleine Tasche mitgebracht, eine neue Zahnbürste im Badezimmer deponiert und Unterwäsche in die Schublade gelegt, die ich für dich freigeräumt hatte. Am darauffolgenden Morgen habe ich dir Tee gebracht und dich geküsst, bevor ich zur Arbeit gegangen bin, und auf der Fahrt zur Arbeit hatte ich deinen Geschmack auf den Lippen. Als ich mich an meinen Schreibtisch setzte, rief ich zuhause an, und ich hörte dir an, dass du dich wieder hingelegt hattest.
»Was ist?«, hast du gefragt.
Wie hätte ich dir sagen können, dass ich einfach nur deine Stimme hören wollte?
»Könntest du heute mal das Bett machen?«, habe ich stattdessen geantwortet. »Das tust du sonst nie.«
Du hast gelacht, und ich wünschte, ich hätte nicht angerufen. Als ich nach Hause kam, ging ich direkt nach oben, ohne die Schuhe auszuziehen. Aber alles war in Ordnung. Deine Zahnbürste war noch immer da.
Ich machte mehr Platz für dich im Schrank, und nach und nach hast du deine Sachen mitgebracht.
»Heute Nacht bleibe ich nicht hier«, hast du eines Tages gesagt, während ich auf der Bettkante saß und mir die Krawatte band. Du hattest dich aufgesetzt und Tee getrunken. Dein Haar war zerzaust, und um deine Augen herum war noch das Make-up von gestern Abend zu sehen. »Ich gehe mit ein paar Jungs von meinem Kurs aus.«
Ich erwiderte nichts darauf. Stattdessen konzentrierte ich mich ganz auf den perfekten Windsorknoten.
»Das ist doch okay, oder?«
Ich drehte mich um. »Weißt du, dass wir uns heute vor genau drei Monaten zum ersten Mal gesehen haben?«
»Wirklich?«
»Ich habe für heute Abend einen Tisch im Le Petit Rouge reserviert. Du weißt schon … Da waren wir auch bei unserem ersten Date.« Ich stand auf und zog die Jacke an. »Ja, ich weiß, ich hätte vorher mit dir reden sollen. Warum solltest du dich auch an so etwas Dummes wie unser erstes Date erinnern?«
»Das tue ich aber!« Du hast deinen Tee weggestellt, die Decke beiseitegeworfen und bist über das Bett geklettert, um dich neben mich zu knien. Du warst nackt, und als du deine Arme um mich geschlungen hast, da habe ich die Wärme deiner Brüste durch mein Hemd gespürt. »Ich erinnere mich an jede Einzelheit. Ich weiß noch genau, was für ein Gentleman du warst und dass ich dich unbedingt wiedersehen wollte.«
»Ich habe was für dich«, sagte ich plötzlich. Ich hoffte nur, es war auch noch in der Nachttischschublade. Ich tastete darin herum und fand es ganz hinten unter einer Packung Kondome. »Hier.«
»Ist das, was ich glaube, dass es ist?« Du hast gegrinst und mit dem Schlüssel in der Luft gewedelt. Erst da fiel mir auf, dass ich Maries Schlüsselanhänger nicht entfernt hatte, und das Silberherz drehte sich im Licht.
»Du bist doch jeden Tag hier. Da kannst du genauso gut einen Schlüssel haben.«
»Danke. Das bedeutet mir sehr viel.«
»Aber jetzt muss ich zur Arbeit. Viel Spaß heute Abend.« Ich küsste dich.
»Nein, ich werde absagen. Du hast dir so viel Mühe gemacht. Ich will heute unbedingt mit dir essen gehen. Und nun, da ich das hier habe …« Wieder hast du den Schlüssel in die Luft gehalten. »… werde ich sogar hier sein, wenn du von der Arbeit kommst.«
Auf der Fahrt zur Arbeit ließen meine Kopfschmerzen nach, verschwanden aber erst, nachdem ich im Le Petit Rouge angerufen und einen Tisch bestellt hatte.
*
Du hast dein Wort gehalten und auf mich gewartet, als ich nach Hause kam. Dein Kleid hat deine Kurven provokant betont und deine langen, braungebrannten Beine frei gelassen.
»Und? Wie sehe ich aus?« Du hast dich gedreht und dich dann vor mich gestellt, eine Hand auf der Hüfte.
»Toll.«
Mir war deutlich anzuhören, dass ich nicht gerade begeistert war, und du hast deine Pose aufgegeben, die Schultern hängen lassen und über dein Kleid gestrichen.
»Ist es zu eng?«
»Du siehst gut aus«, sagte ich. »Aber was hast du denn sonst noch mit?«
»Es ist zu eng, stimmt’s? Ich habe nur noch die Jeans, die ich gestern getragen habe, und ein sauberes Top.«
»Perfekt«, sagte ich und küsste dich. »Beine wie deine sind einfach perfekt für Hosen. In Jeans siehst du fantastisch aus. Jetzt lauf, und zieh dich schnell um, damit wir vor dem Essen noch was trinken können.«
*
Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, dir einen Schlüssel zu geben, aber obwohl Hausarbeit etwas ganz Neues für dich war, schien sie dir zu gefallen. Wenn ich nach Hause kam, roch es meistens schon nach frischgebackenem Kuchen oder gebratenem Huhn, und obwohl du nur einfache Gerichte kanntest, hast du schnell gelernt. Wenn das, was du gekocht hast, ungenießbar war, ließ ich es einfach stehen, und beim nächsten Mal hast du dir mehr Mühe gegeben. Eines Tages sah ich dann, wie du ein Kochbuch gelesen hast. Neben dir lagen Stift und Papier.
»Was ist denn Mehlschwitze?«, hast du gefragt.
»Woher soll ich das denn wissen?« Ich hatte einen harten Tag hinter mir, und ich war müde.
Dir ist das anscheinend gar nicht aufgefallen. »Ich will Lasagne machen und zwar eine richtige. Nichts aus der Tüte. Ich habe alle Zutaten, aber es ist, als wäre das Rezept in einer Fremdsprache geschrieben.«
Ich schaute zu den Lebensmitteln, die auf der Arbeitsplatte lagen: roter Paprika, Tomaten, Karotten und rohes Rinderhack. Das Gemüse war frisch vom Markt, und selbst das Fleisch sah aus, als käme es direkt vom Metzger und nicht aus dem Supermarkt. Die Vorbereitungen müssen dich den ganzen Nachmittag gekostet haben.
Ich weiß nicht, warum ich dir den Spaß verderben wollte. Vielleicht hatte es etwas mit dem Stolz auf deinem Gesicht zu tun oder mit der Tatsache, dass du dich so wohl und sicher gefühlt hast … zu sicher.
»Ich bin eigentlich gar nicht hungrig.«
Dein unbekümmertes Lächeln verschwand schlagartig, und ich fühlte mich schon besser, als hätte ich ein Pflaster abgerissen oder einen besonders unangenehmen Schorf weggekratzt.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Hast du dir sehr viel Mühe gemacht?«
»Nein, nein, alles okay«, hast du geantwortet, obwohl dir deutlich anzusehen war, wie beleidigt du warst. »Dann koche ich das eben ein andermal.« Ich hatte gehofft, du würdest den ganzen Abend beleidigt schmollen, doch du hast das einfach abgeschüttelt und dir eine Flasche des billigen Weins aufgemacht, den du so magst. Ich selbst goss mir einen Fingerbreit Whisky ein und setzte mich dir gegenüber.
»Ich kann gar nicht glauben, dass ich nächsten Monat meinen Abschluss mache«, hast du gesagt. »Die Zeit ging wie im Flug vorbei.«
»Hast du dir schon überlegt, was du dann machen willst?«
Du hast die Nase gerümpft. »Nicht wirklich. Den Sommer werde ich mir erst einmal freinehmen und vielleicht ein wenig reisen.«
Das war das erste Mal, dass ich von diesem Plan hörte, und ich fragte mich, wer dir diese Idee in den Kopf gesetzt hatte … mit wem du fahren wolltest.
»Wir könnten ja mal nach Italien fliegen«, sagte ich. »Ich würde gern mit dir nach Venedig. Die Architektur würde dir gefallen, und es gibt dort viele fantastische Kunstgalerien.«
»Das wäre wunderbar. Sarah und Izzy fliegen für einen Monat nach Indien. Ich könnte sie für ein, zwei Wochen begleiten oder vielleicht mit Interrail durch Europa fahren.« Und dann hast du gelacht. »Ach, ich weiß nicht. Ich will einfach alles. Das ist das Problem!«
»Vielleicht solltest du ein wenig warten.« Ich schwenkte meinen Whisky. »Immerhin sind im Sommer alle unterwegs, und danach drängen alle auf den Arbeitsmarkt. Vielleicht solltest du deinen Vorsprung nutzen, während die anderen sich in der Weltgeschichte rumtreiben.«
»Ja, vielleicht.«
Ich sah, dass ich dich noch nicht überzeugt hatte.
»Ich habe auch darüber nachgedacht, was ist, wenn du die Uni fertig hast. Und ich denke, du solltest hier einziehen – so richtig meine ich.«
Du hast die Augenbrauen gehoben, als würdest du einen Haken wittern.
»Das ist nur logisch«, fuhr ich fort. »Du wohnst doch ohnehin schon hier, und bei deinen Jobaussichten wirst du dir auch nie was Eigenes leisten können, jedenfalls nichts Ordentliches.«
»Eigentlich wollte ich eine Zeitlang wieder nach Hause ziehen«, hast du gesagt.
»Das überrascht mich. Nachdem dein Dad ausgezogen ist, wolltest du doch nichts mehr mit deiner Mutter zu tun haben.«
»Sie ist ganz okay«, hast du gesagt. Sicher warst du dir aber nicht mehr.
»Wir sind doch ein gutes Team«, argumentierte ich. »Warum sollte man daran etwas ändern? Deine Mum lebt mehr als eine Stunde entfernt. Wir würden uns kaum noch sehen. Möchtest du denn nicht mehr mit mir zusammen sein?«
»Natürlich möchte ich das!«
»Und wenn du hier einziehst, müsstest du dir um Geld keine Sorgen mehr machen. Ich würde mich um die Rechnungen kümmern, und du könntest dich ganz auf die Zusammenstellung deiner Mappe konzentrieren und deine Skulpturen verkaufen.«
»Aber das wäre dir gegenüber nicht fair. Ich muss doch auch etwas zu unserem Leben beitragen.«
»Du könntest ja ein wenig kochen und im Haushalt helfen, aber nur wenn du magst. Es würde mir schon reichen, jeden Morgen neben dir aufzuwachen und dich zu sehen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme.«
Ein Lächeln erschien auf deinem Gesicht. »Bist du sicher?«
»So sicher wie noch nie in meinem Leben.«
*
Am letzten Tag des Semesters bist du bei mir eingezogen. Du hast deine Studentenbude ausgeräumt und alles in den Wagen gepackt, den du dir von Sarah geliehen hast.
»Nächstes Wochenende bringe ich den Rest meiner Sachen zu Mum«, hast du gesagt. »Moment … Da ist noch was im Wagen … Eine Überraschung für dich … für uns.«
Du bist wieder hinausgerannt und hast die Beifahrertür geöffnet, wo ein Karton im Fußraum stand. Den hast du dann so vorsichtig zum Haus getragen, dass ich annahm, es wäre etwas Zerbrechliches drin. Doch als du ihn mir gegeben hast, war er viel zu leicht, als dass es sich um Porzellan oder Glas hätte handeln können.
»Mach auf.« Du bist vor lauter Aufregung fast geplatzt.
Ich hob den Deckel, und ein winziges Fellknäuel sah mich an. »Das ist eine Katze«, erklärte ich in teilnahmslosem Ton. Ich habe nie verstanden, was Menschen an Tieren finden, besonders an Hauskatzen und -hunden. Sie hinterlassen überall ihre Haare und verlangen Zuneigung von einem. Man muss sich um sie kümmern.
»Das ist ein Katerchen!«, hast du gesagt. »Ist er nicht süß?« Du hast das Tier aus dem Karton genommen und es dir an die Brust gedrückt. »Eves Katze hat überraschend geworfen. Inzwischen hat sie alle verschenkt, aber den hier hat sie extra für mich aufgehoben. Er heißt Gizmo.«
»Ist dir vielleicht mal der Gedanke gekommen, dass es besser gewesen wäre, mich zu fragen, bevor du eine Katze in mein Haus bringst?« Ich bemühte mich gar nicht erst, meine Verärgerung zu verbergen, und du bist sofort in Tränen ausgebrochen. Das war eine derart erbärmliche und offensichtliche Taktik, dass ich sogar noch wütender geworden bin. »Hast du nie diese Plakate gesehen, auf denen steht, man solle es sich genau überlegen, bevor man sich ein Tier anschafft? Da ist es kein Wunder, dass so viele Tiere ausgesetzt werden. Und schuld daran sind Menschen wie du, die immer aus dem Bauch heraus entscheiden!«
»Ich dachte, du magst ihn«, hast du geschluchzt. »Ich dachte, er könnte mir Gesellschaft leisten, wenn du auf der Arbeit bist. Er kann mir beim Malen zuschauen.«
Ich hielt inne. Vielleicht war das wirklich gar nicht mal so schlecht. Wenn du dich um den Kater kümmern musstest, würdest du wenigstens nicht auf dumme Gedanken kommen, wenn ich nicht zuhause war.
»Sorg einfach dafür, dass er nicht an meine Anzüge geht«, sagte ich. Ich ging nach oben, und als ich wieder runterkam, hattest du in der Küche einen Korb und zwei Näpfe auf den Boden gestellt und neben die Tür ein Katzenklo.
»Nur bis er raus kann«, hast du gesagt. Dein Blick war vorsichtig, und ich ärgerte mich sehr über mich selbst, weil ich vor dir die Beherrschung verloren hatte. Ich zwang mich, das Kätzchen zu streicheln und hörte dich erleichtert seufzen. Dann bist du zu mir gekommen und hast mich umarmt. »Danke.« Und du hast mich auf die Art geküsst, wie du es immer getan hast, kurz bevor wir Sex hatten, und als ich dich sanft an den Schultern auf die Knie gedrückt habe, da hast du dich ohne zu murren gefügt.
Du warst ganz besessen von dem Kater. Sein Futter, sein Spielzeug und selbst sein vollgeschissenes Klo waren irgendwie interessanter, als das Haus zu putzen oder Essen zu kochen. Interessanter als mit mir zu reden. Du hast den ganzen Abend mit ihm gespielt und Stoffmäuse an einer Schnur über den Boden gezogen. Du hast mir erzählt, tagsüber würdest du an deiner Mappe arbeiten, doch wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, dann lag dein Zeug noch genauso verstreut im Wohnzimmer wie am Tag zuvor.
Als ich knapp vierzehn Tage, nachdem du bei mir eingezogen warst, nach Hause kam, fand ich einen Zettel auf dem Küchentisch.
Bin mit Sarah unterwegs. Du musst nicht auf mich warten.
Wie immer hatten wir zwei-, dreimal an diesem Tag miteinander gesprochen, doch davon hattest du kein Wort gesagt. In der Küche stand kein Essen, aber du warst ja auch mit Sarah aus. Was ich auf den Tisch bekam, war dir egal. Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Das Kätzchen miaute und versuchte, an meiner Hose hochzuklettern, indem es die Krallen in mein Bein bohrte. Ich schüttelte es ab, und es fiel zu Boden. Dann schloss ich das Tier in der Küche ein und schaltete den Fernseher an, doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich konnte an nichts anderes mehr denken außer an das letzte Mal, als du mit Sarah ausgegangen bist. Sie war so schnell mit dem Typen verschwunden, den sie gerade erst kennengelernt hatte, und auch du bist sofort mit mir heimgegangen.
Du musst nicht auf mich warten.
Ich hatte dich nicht gebeten, bei mir einzuziehen, um weiter die Abende alleine zu verbringen. Ich war schon einmal von einer Frau zum Narren gehalten worden. Das würde mir nicht wieder passieren. Das Miauen hörte nicht auf, und ich stand auf, um mir noch ein Bier zu holen. Ich konnte das Kätzchen in der Küche hören, und ich stieß die Tür so hart auf, dass das Tier über den Boden rutschte. Das war irgendwie komisch und heiterte mich kurz auf, bis ich wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte und dein Chaos sah. Du hattest einen halbherzigen Versuch unternommen, alles in einer Ecke des Raums zu stapeln, doch da lag noch ein Klumpen Lehm unter einer Zeitung, deren Druckerschwärze ohne Zweifel ins Parkett sickerte, und Marmeladengläser mit trüben Flüssigkeiten stapelten sich auf einem Tablett.
Das Kätzchen miaute. Ich trank einen Schluck Bier. Im Fernsehen lief eine Naturdokumentation, und ich schaute zu, wie ein Fuchs einen Hasen in Stücke riss. Ich drehte den Ton auf, doch ich konnte noch immer den Kater hören. Das Geräusch hallte durch meinen Kopf, bis meine Wut mit jedem Miauen ein Stückchen wuchs, und schließlich tobte ein glühender Zorn in mir, den ich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich stand auf und ging in die Küche.
*
Es war schon nach Mitternacht, als du endlich nach Hause gekommen bist. Ich saß im Dunkeln in der Küche, in der Hand eine leere Flasche Bier. Ich hörte, wie du ganz, ganz leise die Haustür geschlossen und deine Stiefel ausgezogen hast, um dann auf Zehenspitzen durch den Flur und in die Küche zu gehen.
»Und? War’s schön?«
Du hast erschrocken aufgeschrien, und das wäre lustig gewesen, hätte ich nicht solch eine Wut auf dich gehabt.
»Himmel, Ian! Du hast mir einen Höllenschreck eingejagt! Was sitzt du denn hier im Dunkeln?« Du hast das Licht angeschaltet, und die Birne erwachte flackernd zum Leben.
»Ich habe auf dich gewartet.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es spät wird.«
Du hast ein wenig gelallt, und ich fragte mich, wie viel du wohl getrunken hast.
»Wir sind nach dem Pub noch zu Sarah gegangen, und …« Da hast du meinen Gesichtsausdruck gesehen. »Stimmt was nicht?«
»Ich habe so lange auf dich gewartet, damit du es nicht allein herausfindest.«
»Damit ich was nicht allein herausfinde?« Plötzlich warst du wieder nüchtern. »Was ist passiert?«
Ich deutete auf den Boden neben dem Katzenklo. Dort lag das Kätzchen und rührte sich nicht mehr. In den letzten ein, zwei Stunden war der kleine Kater steif geworden, und ein Bein ragte in die Luft.
»Gizmo!« Du hast die Hände vor den Mund geschlagen, und ich dachte schon, du würdest dich gleich übergeben. »Oh, mein Gott! Was ist passiert?«
Ich stand auf, um dich zu trösten. »Ich weiß es nicht. Als ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin, hat er sich im Wohnzimmer übergeben. Ich habe online nach Rat gesucht, aber nach einer halben Stunde war er tot. Es tut mir ja so leid, Jennifer. Ich weiß doch, wie sehr du ihn geliebt hast.«
Du hast geweint, und deine Tränen sickerten in mein Hemd, als ich dich an mich drückte.
»Als ich gegangen bin, war er noch kerngesund.« Du hast mich angeschaut und in meinem Gesicht nach Antworten gesucht. »Ich verstehe einfach nicht, wie das passieren konnte.«
Du musst die Unsicherheit in meinem Gesicht gesehen haben, denn du hast dich von mir zurückgezogen. »Was ist? Was verschweigst du mir?«
»Ach, es ist vermutlich nichts«, antwortete ich. »Ich will es nicht noch schlimmer für dich machen.«
»Sag’s mir!«
Ich seufzte. »Als ich nach Hause gekommen bin, habe ich ihn im Wohnzimmer gefunden.«
»Ich habe ihn in der Küche eingesperrt. Das mache ich immer so«, hast du gesagt, aber bereits an dir gezweifelt.
Ich zuckte mit den Schultern. »Als ich nach Hause kam, stand die Tür offen, und Gizmo hat eine der Zeitungen zerfetzt, die neben deiner Arbeit liegen. Offensichtlich hat ihn das alles sehr fasziniert. Ich weiß ja nicht, was in dem Marmeladenglas mit dem roten Schild ist, aber der Deckel war ab, und Gizmo hatte die Nase darin.«
Da bist du bleich geworden. »Das ist Glasur für meine Modelle.«
»Ist die giftig?«
Du hast genickt. »Da drin ist Bariumcarbonat. Das ist richtig gefährliches Zeug, und ich achte immer darauf, dass es sicher verwahrt ist. Oh, Gott … Es ist alles meine Schuld … Der arme, arme Gizmo.«
»Liebling, du darfst dir nicht unnötig Sorgen machen.« Ich nahm dich in die Arme, drückte dich an mich und küsste dein Haar. Du hast nach Zigarettenrauch gestunken. »Das war ein Unfall. Du hast dir einfach viel zu viel auf einmal vorgenommen. Du hättest bleiben und dein Modell erst mal fertigmachen sollen, solange alles noch offen rumliegt. Das hätte Sarah sicherlich verstanden.« Du hast dich an mich gelehnt, und dein Schluchzen ließ allmählich nach. »Komm«, sagte ich. »Lass uns nach oben gehen. Morgen früh stehe ich vor dir auf. Dann kümmere ich mich um Gizmo.«
Im Schlafzimmer warst du still, und ich ließ dich die Zähne putzen und das Gesicht waschen. Dann schaltete ich das Licht aus, ging ins Bett, und du hast dich an mich gekuschelt wie ein kleines Kind. Mir hat es unglaublich gefallen, wie sehr du mich gebraucht hast. Ich begann, dir kreisförmig den Rücken zu streicheln, und küsste dir den Hals.
»Macht es dir etwas aus, wenn wir es heute Nacht nicht tun?«, hast du gefragt.
»Aber das wird dir helfen«, antwortete ich. »Ich möchte nur, dass du dich wieder besser fühlst.«
Du hast dich unter mir nicht gerührt, und als ich dich küsste, war da keine Reaktion. Ich drang in dich ein und stieß hart zu, um eine zu provozieren – egal welche –, doch du hast einfach die Augen geschlossen und keinen Laut von dir gegeben. Du hast mir den Spaß genommen, und deine Selbstsucht ließ mich dich nur umso härter ficken.