[Aus der Garvin County Sun-Tribune, 3. Mai 2008, von Angela Dash]
Amanda Kinney, 67 – Kinney, seit 23 Jahren leitende Hausmeisterin an der Garvin-Highschool, wurde von einem Querschläger am Knie erwischt, während sie Schüler in einem nahe gelegenen Vorratsraum in Sicherheit brachte. »Die Tür war eh schon auf, weil ich grad neue Säcke in die Mülleimer getan hab«, berichtet sie in ihrem häuslichen Wohnzimmer der Presse, ihr dick bandagiertes Knie auf ein paar Kissen gelagert. »Ich hab einfach so viele Kinder da reingestopft, bis keins mehr reinpasste, dann hab ich die Tür dichtgemacht. Ich glaub, der hat nicht mal gewusst, dass wir da drin sind. Hab’s gar nicht mitgekriegt, dass es mich auch erwischt hat. Aber dann hat jemand gesagt, ich blute. Ich hab runtergeguckt und an meiner Hose war lauter Blut und am Knie ein kleiner Riss.«
Kinney, die freundschaftliche Beziehungen zu vielen der Schüler pflegt, kannte auch Levil gut. »Der hat ja ganz hier in der Nähe gewohnt, ein paar Straßen weiter. Drum hab ich öfter mit ihm geredet, von Anfang an, seit die nach Garvin gezogen sind. War in Ordnung, der Junge. Er hat nur manchmal wütend gewirkt, ohne Grund, war aber trotzdem okay. Auch seine Mom ist eine nette Frau. Das hier muss sie richtig schlimm treffen.«
»Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, sagte ich, während ich ins Zimmer stürmte und mich aufs Sofa fallen ließ. Ich griff gleich nach der Cola, die Dr. Hieler wie immer auf dem Couchtisch für mich bereitgestellt hatte. »Ich hatte Samstags-Strafunterricht und es hat länger gedauert, weil der Lehrer uns irgendwelche Vorträge gehalten und dabei die Zeit vergessen hat.«
»Macht nichts«, sagte Dr. Hieler. »Ich hatte sowieso noch Papierkram zu erledigen.« Aber ich ertappte ihn bei einem kleinen Seitenblick auf die Uhr und fragte mich, ob er wohl gerade ein Baseballspiel seines Sohnes verpasste. Oder das Turnturnier seiner Tochter. Vielleicht war er auch zum Mittagessen mit seiner Frau verabredet. »Warum hast du Strafunterricht gekriegt?«
Ich verdrehte die Augen. »Wegen der Mittagspause. Ich hab nicht in der Cafeteria gegessen, wie sie’s von mir verlangen. Darum musste ich jeden Tag nachsitzen und am Freitag hat mir Angerson dann Strafunterricht aufgebrummt. Der meint wohl, er kann mich zwingen, indem er mich andauernd nachsitzen lässt. Aber das zieht bei mir nicht. Ich will einfach nicht da drin essen.«
»Mit wem soll ich denn essen? Ich kann schließlich nicht einfach zu irgendwem hingehen und fragen: ›Hallo, kann ich mich hier hinsetzen?‹, und dann sagen alle gleich: ›Na klar, gern!‹. Nicht mal meine alten Freunde lassen mich bei sich am Tisch sitzen.«
»Was ist mit diesem einen Mädchen? Der vom Schülerrat.«
»Jessicas Freunde sind nicht meine Freunde«, sagte ich. »Das waren sie noch nie. Darum haben Nick und ich sie ja auch auf die Hass-« Ich unterbrach mich abrupt. Dass ich die Hassliste beinahe ganz lässig nebenbei erwähnt hätte, überraschte mich. Ich versuchte, darüber hinwegzugehen und das Thema zu wechseln. »Angerson steht ja nur so auf Schulsolidarität, damit er im Fernsehen gut rüberkommt. Das ist sein Problem und nicht meins.«
»Klingt aber, als wär’s nicht nur sein Problem. Strafunterricht am Samstag ist keine besonders tolle Art, das Wochenende zu verbringen, oder?« Ich hätte schwören können, dass er schon wieder einen Blick Richtung Uhr warf.
»Kann sein. Mir egal.«
»Ich glaube, du willst nur nicht zugeben, wie wenig egal es dir ist. Was würde passieren, wenn du es irgendwann einfach mal ausprobierst?«
Darauf hatte ich keine Antwort.
Als ich nach der Stunde aus der Praxis kam, war Mom nicht da. Sie hatte einen gelben Zettel an Dr. Hielers Tür geklebt, auf dem stand, sie müsste etwas erledigen und wäre gleich wieder da, ich sollte auf dem Parkplatz warten. Ich hatte den Zettel vor Dr. Hieler entdeckt, ihn abgemacht und in meine Tasche gestopft. Wenn er ihn sah, würde er sich bestimmt verpflichtet fühlen, noch länger zu bleiben, und ich hatte sowieso schon ein schlechtes Gewissen.
Außerdem gab es nichts mehr zum Reden.
Ich verließ das Gebäude und stand einen Augenblick lang draußen vor der Tür, unschlüssig, was ich tun sollte. Ich musste mich dünn machen, damit Dr. Hieler mich nicht sah, wenn er rauskam. Ich überlegte kurz, mich in einer Reihe von Büschen zu verkriechen, aber ich wusste nicht, ob mein Bein das mitmachen würde. Außerdem krabbelte da irgendein Tier herum, ich hörte jedenfalls etwas im Gebüsch rascheln und sah, wie sich die Äste bewegten.
Also stopfte ich die Hände in die Hosentaschen, schlenderte über den Parkplatz und kickte dabei ein paar Kieselsteine herum. Bald war ich vorne am Gehweg. Ich blieb stehen und sah mich um. Entweder musste ich in die Büsche oder zur Einkaufspassage auf der andern Seite der befahrenen Straße. Sonst würde mich Dr. Hieler entdecken und ich musste wieder rein zu ihm und weiterreden, worauf ich überhaupt keine Lust hatte. Also nahm ich die Hände aus den Taschen und wartete am Straßenrand auf eine Lücke zwischen den vorbeifahrenden Autos. Vielleicht würde ich Moms Auto auf dem Parkplatz des Supermarkts gegenüber entdecken. Dann kamen einen Moment lang keine Autos und ich flitzte – oder besser gesagt humpelte – über die Straße.
Moms Auto stand nicht auf dem Supermarktparkplatz; ich hatte zweimal alles abgesucht. Sie war auch noch nicht zurück auf dem Parkplatz bei Dr. Hieler. Das konnte ich von hier aus erkennen. Und ich bekam Durst.
Also stiefelte ich in den Supermarkt und streunte herum, bis ich einen Trinkbrunnen fand. Eine Weile lang hing ich bei den Zeitschriften herum und blätterte verschiedene Magazine durch. Dann lief ich am Süßigkeitenregal vorbei und wünschte mir, ich hätte Geld für eine ordentliche Dosis Schokolade dabei. Aber ziemlich bald wurde mir langweilig.
Draußen stellte ich mich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals, um zum Parkplatz von Dr. Hieler rübergucken zu können. Moms Auto war immer noch nicht da, auch das von Dr. Hieler war inzwischen weg. Ich seufzte und ließ mich auf dem Gehweg nieder, wo ich eine Zeit lang mit dem Rücken an eine Schaufensterscheibe vom Supermarkt gelehnt dahockte, bis der Chef des Ladens kam und mich verscheuchte – seine Kunden würden es nicht schätzen, meinte er, wenn Obdachlose hier herumlungerten. Es würde sie nervös machen. »Das ist hier schließlich nicht die Bahnhofsmission, Mädel«, ließ er mich wissen.
Also lief ich auf der Suche nach einem guten Platz zum Sitzen ein paar Eingänge weiter.
Der Handyladen war knallvoll, genauso der Friseur, bei dem Mom mir immer die Haare schneiden ließ, als ich noch klein war. Ich starrte durchs Fenster und schaute einem kleinen Mädchen zu, das weinte, während seine Mutter es festhielt und die Friseurin an den blonden Babylocken herumschnippelte. Ich spähte auch in den Handyladen, wo die Leute alle aussahen, als wären sie irgendwie wütend, sogar die Verkäufer.
Bald war ich am Ende der Ladenzeile und wollte gerade wieder umkehren und zurück zum Supermarkt gehen, als sich an einer Seite des Gebäudes eine Tür öffnete. Eine vollbusige Frau in einem Kittel aus Jeansstoff, der mit bunten Glitzersteinchen besetzt und mit Stofffarbe bemalt war, kam heraus, um ein Tuch auszuschütteln. Dabei flogen überall funkelnde Teilchen herum, sodass sie aussah wie die gute Fee in Cinderella in ihrer glitzernden Wolke.
Sie bemerkte meinen Blick und lächelte mich an.
»Kommt ab und zu vor, dass jemand was verschüttet bei uns«, sagte sie fröhlich und verschwand mit ihrem Glitzertuch wieder nach drinnen.
Die Neugier packte mich, das gebe ich zu. Ich wollte wissen, wie es sein konnte, dass etwas so wunderbar schillernd aussah, das durch Verschütten zustande gekommen war. Normalerweise hat es ja hässliche und widerliche Folgen, wenn man etwas verschüttet, ganz sicher keine schönen.
Als die Tür hinter mir zuging, spürte ich, wie die ganze Welt auf einmal ausgesperrt war. Hier drinnen war es dunkel, alles war vollgestopft und es roch wie in der Kirche am Ostersonntag. An den Wänden hingen bis unter die Decke Regale, die beinahe zusammenbrachen unter dem Gewicht von Gipsbüsten, Tongefäßen und Holzkisten in allen Größen. Da waren auch Körbe, Töpfe, seltsam geformte Pappkartons. Ich lief einen der Gänge entlang, der mir das Gefühl gab, klein und kümmerlich zu sein.
Am Ende des Gangs lichtete sich das Chaos urplötzlich und ich schnappte nach Luft. Überall im Raum waren Staffeleien verteilt, mindestens ein Dutzend, und unter einem Fenster, das nach Osten hinausging, stand ein langer, mit Zeitungen abgedeckter Tisch. Es gab jede Menge Körbe und Schachteln mit dem unterschiedlichsten Mal- und Bastelzubehör – da waren Farbkreiden, Tücher, Tonklumpen, Stifte und so weiter.
Die Frau im Jeanskittel, die ich draußen gesehen hatte, saß auf einem Hocker vor einer Staffelei und malte große, purpurfarbene Streifen quer über eine Leinwand.
»Ich finde Morgensonne am inspirierendsten, und du?«, fragte sie, ohne sich nach mir umzudrehen.
Ich gab keine Antwort.
»Jetzt um diese Tageszeit kriegen natürlich die Leute vorm Supermarkt das ganze strahlende Licht ab. Aber ich …«, sie hob ihren Pinsel und stach damit in die Luft, »ich bekomme hier jeden Tag das Sonnenlicht, das am inspirierendsten ist. Den Sonnenuntergang können sie von mir aus behalten. Es ist der Sonnenaufgang, der den Menschen wirklich nahegeht. Jede Wiedergeburt tut das.«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war mir nicht mal ganz sicher, dass sie wirklich mit mir redete. Sie wandte mir immer noch den Rücken zu und arbeitete so konzentriert an ihrem Bild, dass ich mich fragte, ob sie vielleicht mit sich selbst sprach.
So oder so, ich stand jedenfalls wie festgewurzelt an einem Fleck und wusste nicht, wohin ich zuerst gucken sollte. Ich wollte alles berühren – wollte mit den Fingern über Gipsvasen streichen, an den Farbtuben riechen, meine Hände in einen Klumpen Ton drücken – und ich hatte Angst, dass ich bei der kleinsten Bewegung, sei es auch nur der Lippen, dieser Sehnsucht nachgeben würde und dann für immer verloren wäre in dieser Ursuppe der Kreativität.
Sie setzte noch ein paar Tupfer Purpur in die Ecken der Leinwand, dann stand sie von ihrem Hocker auf und ging ein paar Schritte zurück, um ihre Arbeit zu bewundern.
»Ah!«, sagte sie. »Perfekt!« Vorsichtig, damit nichts herunterfiel, legte sie die Malpalette mit dem Pinsel auf dem Hocker ab, dann wandte sie sich endlich um und sah mich an. »Was meinst du?«, fragte sie. »Ist das zu viel Purpur?« Sie drehte sich wieder zur Staffelei und schien in ihrem Bild zu versinken. »Nein. Zu viel Purpur gibt’s gar nicht«, brummelte sie. »Die Welt braucht Purpur. Mehr und immer mehr davon, wirklich wahr.«
»Ich mag Purpur«, sagte ich.
Sie klatschte zweimal in die Hände. »Na dann ist ja gut!«, sagte sie. »Damit ist doch alles klar! Möchtest du Tee?« Sie verschwand in einem Raum, der sich hinter einer Kasse befand. Ich hörte das Klappern von Porzellan und dann ihre gedämpfte Frage: »Wie trinkst du deinen?«
»Ähm«, sagte ich und schob mich ein wenig vor. »Ich … ich kann nicht bleiben. Ich muss wieder nach draußen. Meine Mutter.«
Ihr Kopf erschien – eine farbgesprenkelte braune Locke war ihr in die Stirn gerutscht. »Oh! Und ich hab gedacht, ich bekäm doch noch ein bisschen Gesellschaft heute. Wenn meine Kurse vorbei sind, ist es hier immer so still. Ganz verlassen irgendwie. Den Mäusen gefällt das, aber Bea nicht. Bea, das bin nämlich ich.« Sie nahm einen Schluck aus einer winzigen Teetasse, auf der ein Hase abgebildet war – die Tasse musste zu einem Kinder-Teeservice gehören. Beim Trinken streckte sie den kleinen Finger weg.
»Sie geben hier also Unterricht?«, fragte ich.
»Aber ja«, sagte sie und kam mit einer ausladenden Bewegung hinter dem Tresen hervor. »Ich gebe Unterricht. Man kann bei mir alle möglichen Kurse machen. Töpfern, Malen, Makramee – egal was du willst, bei mir kriegst du’s.«
Ich bewegte mich ein klein wenig nach rechts und bohrte meinen Finger in einen Eimer mit Holzperlen.
»Kann jeder Unterricht bei Ihnen nehmen?«
Sie runzelte die Stirn. »Nein«, antwortete sie mit einem Blick auf meine Hand in den Holzperlen. Ruckartig zog ich sie heraus, zwei Perlen fielen herunter und kullerten über den Boden. Sie lächelte, als sie sah, wie ich rot wurde, fast als wäre sie entzückt über meine Verlegenheit. »O nein, ich unterrichte nicht jeden. Manche bringen mir was bei.«
Ich war kurz davor zu gehen, als sie ihre Hand ausstreckte und nach meiner griff. Sie drehte sie mit der Innenseite nach oben und betrachtete sie genau, wobei ihre aufgemalten Augenbrauen nach oben zu ihren krausen Haaren schossen. »Oh!«, rief sie. »Oh!«
Ich versuchte, meine Hand wegzuziehen, aber ohne besonders großen Nachdruck. Einerseits machte mich ihre Berührung total kirre, andererseits wollte ich unbedingt wissen, was hinter ihren erstaunten Ausrufen steckte.
»Ich sollte los«, sagte ich, aber sie ignorierte es.
»Tja, ich merke es eben immer sofort, wenn mir eine Künstlerseele begegnet. Du bist eine Künstlerin, stimmt’s? Natürlich bist du das. Du magst Purpur!« Sie drehte sich um, packte meine Hand noch fester und zog mich hinter sich her. Sie brachte mich zu der Leinwand, an der sie gerade gearbeitet hatte. Mit der freien Hand nahm sie Palette und Pinsel vom Hocker und zeigte auf ihn. »Setz dich hin«, sagte sie.
»Ich glaub wirklich, ich muss …«
»Jetzt setz dich. Der Hocker kann’s nicht leiden, wenn jemand seine Einladung nicht würdigt.«
Ich setzte mich hin.
Sie reichte mir den Pinsel. »Mal«, sagte sie. »Mach schon.«
Ich starrte sie an. »Da drauf? Auf Ihr Bild?«
»Papperlapapp. Das hier ist ein Gemälde, also mal was.« Ich hörte nicht auf, sie anzustarren. Da schubste sie meine Hand in Richtung Leinwand. »Jetzt mach schon.«
Langsam tauchte ich den Pinsel in die schwarze Farbe und malte einen Streifen über die Leinwand, senkrecht zu dem Purpur.
»Hmmm«, sagte sie und dann: »Ohhhh.«
Das, was ich empfand, lässt sich mit dem Wort wundersam wohl am besten beschreiben. Oder vielleicht trifft es beseelt noch besser? Womöglich war es einfach beides, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nach dieser ersten Linie nicht aufhören konnte und auch nicht nach dem nächsten Klecks oder nach den Punkten, die ich an den Rand gemalt hatte und die wie Bäume wirkten. Ich weiß nur, dass ich das Gefühl hatte, weit weg zu sein, und dass ich Bea hinter mir kaum hörte – ihre kleinen Ausrufe, ihr Summen, ihre Kindergespräche mit den Farben, in die ich den Pinsel tauchte: »Oh, ja, jetzt bist du dran, Ocker! Will das Kornblümchen denn auch mal mitspielen?«
Doch plötzlich wurde ich von einem Brummen in der Vordertasche meiner Jeans aus meiner Träumerei gerissen – mein Handy schreckte mich von der Leinwand weg, die auf einmal wieder wie eine ganz normale Leinwand aussah.
»Oh, diese verflixte Technik!«, schimpfte Bea, als ich dranging. »Warum verständigen wir uns bloß nicht mehr mit Brieftauben? Hübsche Federn mit einem wunderbaren Briefchen dran. Ich könnte hier ein paar Taubenfedern gebrauchen. Oder die von einem Pfau? Ja, genau, Pfauenfedern! Allerdings hat sich, glaub ich, nie irgendwer mit der Hilfe von Pfauen verständigt …«
»Wo bist du?«, blökte Mom am anderen Ende in die Leitung. »Mir ist ganz schlecht vor lauter Angst – Dr. Hieler ist nicht da, du bist nicht da. Verdammt noch mal, Valerie, warum kannst du nicht einfach am Fleck bleiben und warten, wie ich’s dir gesagt habe? Kapierst du denn gar nicht, was mir bei solchen Gelegenheiten im Sinn rumgeht?«
»Bin gleich da«, murmelte ich ins Telefon. Ich stand auf und schob das Handy zurück in meine Hosentasche. »Tut mir leid«, sagte ich zu Bea. »Meine Mutter …«
Sie wedelte mit einer Hand in der Luft herum, schnappte sich mit der andern einen Besen und machte sich über ein Häufchen Sägespäne her, das unter einer Werkbank auf der anderen Seite des Raums lag. »Wegen einer Mutter sollte einem nie etwas leidtun«, antwortete sie. »Eine Mutter kann einem leidtun, das schon, aber sich wegen einer Mutter entschuldigen? Nein, ganz sicher nicht. Mütter mögen Purpur fast immer. Ich muss es wissen – ich hatte eine ausgesprochen purpurne Mutter.«
Ich hastete den Gang entlang, durch den ich hereingekommen war – es kam mir vor, als würde ich aus einem dunklen, geheimnisvollen Wald flüchten –, und war schon fast an der Tür, als Beas Stimme quer durch den Laden schwebte.
»Ich hoffe doch sehr, dass du nächstes Wochenende wiederkommst, Valerie.«
Ich lächelte und stürzte nach draußen. Erst als ich atemlos und verschwitzt vom Rennen und meinem Malrausch ins Auto einstieg, fiel mir auf, dass ich Bea überhaupt nicht gesagt hatte, wie ich hieß.