Kapitel Vierundzwanzig

Glorianna sah zu, wie Lee zum Dank die Hand hob, als die Dämonenräder zurück in den Pfuhl rasten.

»Gut«, sagte er, »das hat sich Sebastian wirklich schlau ausgedacht, die Dämonenräder zu bitten, in dieser Landschaft zu warten, um uns zu zeigen, wo die Brücke liegt.«

Sie rümpfte die Nase, denn irgendwie erschien es ihr angebracht, ungehalten zu sein. »Ich bin mir sicher, er hat ihnen nicht gesagt, dass es in Ordnung ist, die Wasserpferde zu jagen.«

»Die Kleinen haben sie nicht gejagt. Das haben sie dir ausdrücklich noch einmal gesagt.«

»Oh. Aha. Das ändert natürlich alles. Oder?« Letzteres fragte sie, weil Lee sie angrinste.

»Wir zanken uns.«

»Tun wir nicht.«

»Tun wir doch.«

»Tun wir -« Sie brach ab. Sie fühlte sich immer, als sei sie zehn Jahre alt, wenn sie eine solche Streiterei begannen. »Vielleicht. Und was, wenn?«

»Wir zanken nur, wenn etwas Schlimmes geschehen ist und wir wissen, dass alles wieder gut wird. Also ist deine Idee vielleicht doch gar nicht so verrückt.«

»Sie ist nicht verrückt.« Riskant, sicher. Und gefährlich, wenn es nicht so lief, wie sie es sich gedacht hatte. Aber nicht verrückt. »Warum hast du den Dämonenrädern gesagt, sie könnten uns hier alleine lassen?« Mit einer ausladenden Geste deutete sie auf die Baumgruppe.

»Weil ich die Brücke spüren kann.« Lee wandte sich in westliche Richtung und sprach über die Schulter weiter. »Und ich habe mir gedacht, du bekommst ein besseres Gefühl für das Land, wenn wir zu Fuß weitergehen, und dass du uns früher warnen kannst, sollte der Weltenfresser ein paar unangenehme Überraschungen in dieser Landschaft hinterlassen haben.«

Da sie den versteckten Ankerpunkt des Weltenfressers in der Landschaft der Wasserpferde nicht gefunden hatten und unangenehme Überraschungen recht wahrscheinlich waren, beeilte sie sich, zu Lee aufzuschließen und sich bei ihm einzuhaken - sowohl als Zeichen schwesterlicher Zuneigung als auch weil sie sich beide, wenn Gefahr drohte, in einem Wimpernschlag in ihre Gärten versetzen konnte, solange sie ihn berührte.

»Weißt du noch, als Mutter einmal eine ganze Woche krank war?«, fragte Glorianna.

»Ich erinnere mich.« Lee lächelte. »Ich war ungefähr neun und du warst elf.«

Sie nickte. »Die Nachbarn brachten ihr Suppe und Fleischbrühe, aber wir haben uns so ziemlich alleine durchgeschlagen - und mit meinen Kochkünsten überlebt.«

»Du bist zum Metzger und zum Lebensmittelhändler gegangen, um etwas zu essen zu kaufen -«

»- und du hast den Schlitten gezogen, weil zu viel Schnee lag, um irgendetwas anderes zu benutzen.«

»Der Händler war beeindruckt, weil wir Gemüse gekauft haben und keine Süßigkeiten.«

»Und Orangen, weißt du noch? Sie kamen aus dem Süden und waren durch ein Dutzend Landschaften gereist, bevor sie nach Aurora gekommen sind, und jede einzelne kostete mehr, als das Haushaltsgeld, das Mutter mir für eine Woche gegeben hatte.«

»Du hast sechs Stück gekauft«, sagte Lee leise. »Und jeden Tag hast du eine geschält und in drei Teile geteilt,  weil du der Meinung warst, dass wir uns dann nicht anstecken und es Mutter dabei hilft, gesund zu werden.«

»Während der ganzen Zeit haben wir kein einziges Mal gezankt«, sagte Glorianna leise.

»Wir hatten Angst, sie würde sterben. Es war ein harter Winter. Im Dorf waren schon mehrere Leute an Grippe oder an Lungenentzündung gestorben. Wir waren halb erwachsen und hatten solche Angst. Sie war nie zuvor so krank gewesen.«

»Also haben wir nicht gezankt. Wir haben das Haus in Ordnung gehalten und die Lektionen gelernt, die unsere Lehrer uns gebracht haben, damit wir in der Schule nicht in Rückstand geraten … und haben uns nicht gestritten.«

»Bis es Mutter wieder gut ging.« Lee lachte. »Und dann haben wir sie beinahe in den Wahnsinn getrieben, weil wir uns wegen jeder Kleinigkeit in die Haare geraten sind.«

»Ja.«

Sie liefen eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann sagte Glorianna: »Ich liebe dich, Lee.«

»Nicht.« Seine Stimme wurde scharf. »Die Leute fangen an, so etwas zu sagen, wenn sie glauben, sie haben vielleicht keine andere Gelegenheit mehr, es auszusprechen.«

»Das ist es nicht. Ich habe nur … einen sentimentalen Moment.«

»Oh, in dem Fall liebe ich dich auch. Ich -« Er versteifte sich, als sie stehen blieb. »Was ist?«

»Eine Dissonanz. Vor uns. Da ist etwas, das nicht in diese Landschaft gehört.«

»Die Brücke liegt auch vor uns.«

Vorsichtig liefen sie weiter, Lee suchte mit den Augen die Umgebung ab und hielt Ausschau nach Anzeichen irgendwelcher Kreaturen, während Glorianna den Blick  auf den Boden gerichtet hielt und nach verräterischen Spuren suchte, die sie davor warnten, dass sie kurz davor waren, in eine andere Landschaft überzutreten.

Klein. Viel kleiner als der Teich. Die Dissonanz im Teich hatte sie in ihren Gärten auf der Insel im Nebel spüren können, aber diese Veränderung der Landschaft war ihr entgangen, bis sie ihr ganz nah war.

Lee führte sie zur Brücke und hielt dann zwei Körperlängen davor an. »An der linken Seite der Brücke ist der Boden aufgewühlt. Sieht aus, als hätte dort ein Kampf stattgefunden.«

Glorianna nickte. »Aber Ephemera hat die Gräser und Wildblumen um diesen Kreis aus totem Gras als Reaktion auf das, was hier geschehen ist, ausgerissen. Und der Kreis scheint etwas höher zu liegen als der Rest des Bodens.«

»Ein Zugangspunkt zu einer unterirdischen Höhle?«, fragte Lee.

Als sie an die Kreaturen dachte, die Sebastian in der Schule gesehen hatte, fiel es ihr ein. »Eine Röhrenspinne. Das ist ihr Versteck. Aber … die Dissonanz fühlt sich nicht stark genug an. Ich glaube nicht, dass die Kreatur des Weltenfressers noch hier ist.« Sie verlangsamte ihren Atem, wartete darauf, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigte. Überall um sich herum konnte sie spüren, wie Ephemeras Macht sich danach sehnte, einem Herzen zu antworten - und zögerte, in so unmittelbarer Nähe eines Ortes aus den Landschaften des Weltenfressers darauf einzugehen. Niemand konnte sagen, was die Welt ohne Führung ins Leben rufen würde.

Sie umkreiste das Versteck der Röhrenspinne, stets bedacht eine Handbreit Abstand von der kargen Erde zu halten.

Höre mich an, Ephemera, rief sie, während sie im Kreis lief. Höre auf mein Herz. Sie griff nach den Strömungen des Lichts und nach einem Faden der Dunkelheit, veränderte die Landschaft und versetzte das Versteck der Röhrenspinne an den Ort der Steine, der bereits von ihr aus der Welt genommen worden war, als sie den Versuch des Weltenfressers vereitelt hatte, die Landschaft der Knochenschäler mit dem Pfuhl zu verbinden.

Das Versteck der Spinne und der nackte Boden, der es umgab, verschwanden und hinterließen ein tiefes Loch - ein Loch, das die Welt füllen wollte.

Höre mich an. Höre auf mein Herz.

Ephemera erkannte sie. Sie war wie die Alten, die gewusst hatten, wann man mit dem Licht spielen musste und wann mit der Dunkelheit.

Erde, dachte Glorianna, konzentrierte sich auf die Aufgabe und ließ in ihrem Herzschlag das Versprechen von Freude mitschwingen. Fruchtbarer Boden, um dieses Loch zu füllen. Boden, welcher der Erde hier gleichkommt.

Ephemera zögerte und ließ dann den Wunsch des Herzens Wirklichkeit werden. Freude erfüllte das Herz - und das andere Herz in der Nähe. Die Strömungen der Macht begannen, sich zu entwirren. War da noch etwas, mit dem man spielen konnte?

Stein, gebot das Herz. Nicht der Stein des Zornes, der Stein der Stärke.

Ephemera nahm die Resonanz des Herzens auf, nahm die Resonanz des Landes auf, um den Stein zu finden, den das Herz sich wünschte.

Stein legte sich um die hintere Hälfte des Kreises, grau und stark. Nicht hoch. Nicht breit. Ephemera hörte auf, als das Herz »genug« sagte.

Kleinere Steine, um eine Grenzlinie zu schaffen. Und ein Kreis aus Steinen, wo das Böse Wesen Sich ein Zuhause geschaffen hatte.

Blumen, sagte das Herz. Der Atem lebender Dinge.  Also schuf Ephemera Blumen, die von sich aus gerne an diesem Ort wuchsen.

Und noch etwas. Dieses Mal war die Resonanz des  Herzens so stark, dass Ephemera keine Wahl hatte, als genau das zu schaffen, was das Herz wollte. Aber es kannte die Pflanze. Sie war aus den Herzen der Alten geboren, um zu helfen, die Welt zu heilen. Wo auch immer sie wuchs, konnte das Böse Wesen die Welt nicht in bloßes Grauen verwandeln, weil die Herzen, welche die Resonanz der Pflanze spürten, immer etwas Licht in sich tragen würden.

Glorianna seufzte und trat von dem Kreis zurück. Lee stellte sich hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.

Hüfthoch formte der Granit einen Halbkreis aus Stein, noch trug er die scharfen Kanten, die Zeit und Regen auswaschen würden. Veilchen, Waldiris und Pflanzen mit weißen, glockenförmigen Blüten wuchsen in der neu geschaffenen Erde. In der Mitte, wo das Versteck der Röhrenspinne gewesen war, blühte Herzenshoffnung.

»Es ist wunderschön«, sagte Lee leise.

Sie fühlte, wie der Griff um ihre Schultern fester wurde.

»Aber du hast die Landschaft dieses Mal nicht verändert, oder?«, fragte er. »Du hast die Steine und diese Blumen nicht gesucht und sie an diesen Ort versetzt.«

»Nein. Das hier ist neu.«

Er drehte sie zu sich um.

»Das ist es, was dich anders macht, habe ich recht?«, fragte er langsam, als füge er gerade die letzten Teile eines Puzzles zusammen. »Es ist nicht nur, dass du stärker bist als andere Landschafferinnen, nicht nur, dass du Landschaften verändern und Stücke verschiedener Teile der Welt aneinanderfügen kannst. Es ist das hier - die Fähigkeit, dich so mit Ephemera zu verbinden, dass du Landschaften schaffen kannst. Das ist es, habe ich recht?«

»Ja, das ist es.«

Er sah sie an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen.  »Du bist wirklich wie die Alten aus den Geschichten. Die Wächter des Herzens.«

»Eine Wächterin, ja. Aber weil ich vielleicht die Einzige bin, die noch am Leben ist, bin ich wohl auf gewisse Weise Ephemeras Herz.« Immer noch sah er sie an wie eine Fremde.

»Wie lange weißt du das schon?«

»Nicht lange. Mutter hat mir erst vor kurzer Zeit einige Dinge über unsere Familie erzählt. Erst dann ist mir klar geworden, warum ich so bin, wie ich bin.« Sie zögerte. »Macht es dir etwas aus, zu wissen, was ich wirklich bin?«

Er betrachtete sie noch einen Moment und lächelte. »Nein. Wir werden uns trotzdem noch zanken.« Dann zog er nachdenklich die Brauen zusammen. »Hast du noch etwas anderes erschaffen?«

»Die Insel im Nebel.«

Ihm fiel die Kinnlade herunter. »Die ganze Insel?«

»Es sind nur ein paar Morgen.«

»Aber … eine Insel?« Er dachte einen Moment lang nach. »Das Haus auch?«

»Nein, das Haus nicht. Ephemera kann Steinbrüche schaffen, aber selbst kein Haus bauen. Oder Rohre verlegen.«

»Oder einen Schraubenschlüssel benutzen, um ein Stück Rohr auseinanderzunehmen, das verstopft ist.«

»Dafür gibt es Brüder.«

»Wie aufmerksam von Mutter, dass sie dich mit einem ausgestattet hat.«

»Ich weiß. Deshalb schenke ich ihr jedes Jahr an deinem Geburtstag Blumen.«

Er grinste. »Ich glaube, zwischen uns ist alles in Ordnung. Wir zanken schon wieder.«

Sie lächelte. »Ich glaube, das tun wir - und dann ist wirklich alles in Ordnung.«

»Dann bin ich jetzt dran.« Er ließ sie los und lief hinüber zu den zwei hölzernen Planken, die über einem schmalen Bach lagen. »Ich werde die Brücke abreißen, damit nichts aus der Stadt der Zauberer diese Landschaft erreichen kann. Dann -« Er ging vor den Holzplanken in die Hocke. »Ich mag den Teil nicht, der danach kommt. Das sag ich dir ganz offen, Glorianna.«

»Wenn du ein Hornissennest aufscheuchen willst, benutze einen großen Stock.«

»Lass uns einfach aufpassen, dass niemand von uns gestochen wird.«

 Der junge Zauberer eilte über das offene Land, erleichtert, dass seine Schicht auf dem Turm vorbei war, bevor die Sonne unterging. Es lag etwas … Seltsames … über der Stadt, wenn die Sonne verschwunden war, selbst hier bei der Halle.

Schlitternd kam er zum Stehen und unterdrückte einen Aufschrei, als plötzlich eine Frau aus dem Nichts auftauchte und auf ihn zuging. Sie trug die Art Männerkleidung, die keine ehrbare Frau in der Stadt der Zauberer tragen würde, und ihr schwarzes, offenes Haar floss ihren Rücken hinunter und breitete sich im leichten Wind, der stets auf der Spitze des Hügels wehte, gleich einem Fächer aus. Einen Moment lang dachte er - hoffte er -, sie sei eine Frau niederer Moral, die bereit sein würde, ein paar unanständige Dinge mit ihm zu treiben, im Austausch dafür, dass er sie nicht den Wachen übergab.

Aber sie hatte die kältesten grünen Augen, die er jemals gesehen hatte, und sein Herz erzitterte, als sie ihn ansah.

»Der Rat der Zauberer hat das Urteil des Herzens gefordert«, sagte sie. »Teile ihnen mit, dass die Landschafferin sie morgen bei Sonnenuntergang vor den Mauern der Stadt erwartet, und das Urteil des Herzens vollstreckt werden wird.«

Sie wandte sich um und ging.

»Und wer, soll ich sagen, hat mir die Nachricht überbracht?«, fragte er, erschüttert von der unverschämten Art, in der sie dem Rat Befehle erteilte.

»Sie werden es wissen.«

»Wie sollen sie wissen, welche Landschafferin du bist?«

Sie blieb stehen und blickte zu ihm zurück. Ihre kalten grünen Augen durchbohrten ihn - und er fühlte sich, als könne sie jedes Geheimnis seines Herzens sehen.

»Ich bin die Einzige, die noch am Leben ist.« Sie ging noch einen Schritt weiter … und verschwand.

 Glorianna stand am Rande der kleinen Insel, aus der Lees Landschaft bestand, der Teil Ephemeras, den er nach Belieben an einen anderen Ort versetzen konnte. Amüsiert betrachtete sie, wie der junge Zauberer in Richtung der Halle rannte.

»Na ja«, sagte Lee, »du hast das Hornissennest getroffen.«

Sie nickte und widerstand dem Aufruhr der Gefühle, der ihr eigenes Herz bestürmte.

Lee betrachtete sie einen Augenblick und sagte dann leise: »Wir könnten jetzt versuchen, Sebastian zu finden und ihn dort herauszuholen.«

Die Versuchung, zuzustimmen war groß. Das war es, was sie wollte. Aber … Gelegenheit und Entscheidung. Etwas in Sebastian hatte sich verändert - oder war verändert worden. Sie konnte die Resonanz seines Herzens kaum wahrnehmen, und was sie spüren konnte, war anders, fremd. Niemals würde sein Herz in einer ihrer Landschaften zu Hause sein. Aber tief im Inneren, mit aller Macht beschützt, war er noch immer der Cousin, den sie kannte und liebte.

»Nein«, sagte sie bedauernd. »Auf dieser Reise muss er seine eigenen Entscheidungen treffen.« Und wenn er dem  warmen Glanz nicht folgt, den ich noch immer in seinem Herzen spüren kann, werden wir ihn für immer verlieren.

Lee seufzte. »Die Brücke zwischen dieser und der Landschaft der Wasserpferde ist zerstört, und die Zauberer wissen, dass du kommst. Es ist an der Zeit, dass wir in die Heiligen Stätten zurückkehren und uns so gut wie möglich ausruhen.«

»Noch nicht.« Sie dachte an jenen warmen Glanz. »Eines gibt es noch zu tun.«

 Die Stimmen hörten auf zu flüstern. Etwas hatte die Zauberer aufgeschreckt und sie so sehr abgelenkt, dass sie davon abließen, ihn zu foltern.

Sebastian öffnete die Augen und fand sich auf dem Fußboden wieder. Er lag in zusammengekrümmter Haltung da und barg mit seinem Körper den Krug mit dem letzten Schluck Wasser. Er streckte seine steifen Glieder und kämpfte sich in eine aufrechte Position, bis er mit dem Rücken an die Wand gelehnt dasaß.

Sein Kopf schmerzte noch immer, aber sein Verstand schien zum ersten Mal, seit er die Brücke überquert hatte, klar. Vielleicht sogar seit Koltak in den Pfuhl gestolpert war.

Er hatte die gleichen Kräfte wie die anderen Zauberer. Zumindest einen Teil davon. Könnte er sie einsetzen, um die Tür zu öffnen und zu fliehen? Vielleicht. Aber er glaubte nicht, dass er aus der Stadt der Zauberer entkommen und die Brücke überqueren könnte, bevor sie ihn erwischen würden, egal was sie gerade ablenkte. Und seine Macht war ungeschult. Seine Macht war nichts, das er gegen so viele ausgebildete Zauberer erproben wollte.

Aber es gab eine Macht, die er zu benutzen wusste - eine Macht, die den Menschen helfen könnte, gegen den Weltenfresser zu kämpfen. Aber welche Landschaften konnte er von hier erreichen? Wen konnte er von hier erreichen?

Frauen. Es würden Frauen sein müssen.

Er dachte daran, dass Koltak in der Landschaft der Wasserpferde Brücken überquert hatte. In Orten namens Dunberry und Foggy Downs gelandet war. Orte, von denen er noch nie gehört hatte. Orte, die in einem anderen Teil Ephemeras liegen mussten - aber trotz allem mit einer der Landschaften Gloriannas verbunden waren.

Für ihn bestand keine Hoffnung, aber vielleicht könnte er den Menschen helfen, die er liebte. Glorianna brauchte Freunde, brauchte Verbündete, brauchte Hilfe in ihrem Kampf gegen den Weltenfresser. Vielleicht könnte er ihr ein paar dieser Dinge beschaffen. Und Glorianna zu helfen, bedeutete auch die Rettung von -

Er würde ihren Namen nicht denken. Nicht hier.

Er rief die Macht der Inkuben, bis sie ihn ganz erfüllte. Dann sandte er diese Macht durch das Zwielicht des Halbschlafes, auf der Suche nach Herzen, die ihm antworten würden.

Er spürte sie, viele von ihnen, die sich seines Eindringens bewusst wurden, Herzen mit starkem Willen und einem Geist, den sie im nächsten Moment vor ihm verschließen würden.

Hört mich an, ließ er seine Worte durch das Zwielicht hallen. Bitte hört mich an. Der Weltenfresser ist wieder auf der Jagd.

Angst schlug zu ihm zurück. Scharf, schneidend.

Dann sind wir verloren, flüsterten einige der Stimmen.  Dieses Mal wird das Licht vernichtet werden.

Nein, erwiderte er und legte all seine Überzeugung in den Gedanken. Die Hoffnung des Herzens liegt in Belladonna. Denkt daran. Die Hoffnung des Herzens liegt in Belladonna.

Er fühlte das Kratzen am Rande seines Geistes. Einige seiner Folterer waren zurückgekehrt.

Er kappte die Verbindung zu den anderen Herzen und  zog die Macht in sich zurück, so schnell er es vermochte. Bevor die Zauberer wieder in seinen Geist eindringen konnten, um herauszufinden, was er gerade getan hatte, hatte er das Geheimnis mit aller Kraft, die ihm noch blieb, verborgen.

Die ganze quälende Nacht hindurch, während sie flüsterten und flüsterten und flüsterten, hielt er sich an diesem Geheimnis fest - und an jenem warmen Glanz.